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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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dem Baum in meinem Kopf.
    Eleanor hörte auf zu reden, endlich.
    Zugleich wurde auch mein Mund langsamer, bis die Laute verstummten. Ich gewann wieder Gewalt über meine Hände und konnte sie von Genevieves Ohr loseisen. Ich versuchte, meine Zunge zu bewegen, und zu meiner Erleichterung klappte auch das. Einmal getrennt, schienen die anderen Mädchen ebenso fassungslos zu sein wie ich. Einen Augenblick lang saßen wir vollkommen reglos da und versuchten zu begreifen, was gerade geschehen war.
    Langsam begannen alle zu sprechen.
    Bonnie hatte ihre Großmutter gehört, die vor vier Jahren gestorben war. Charlotte hatte mit Kurt Cobain gesprochen und sah aus, als ob sie gleich in Ohnmacht fallen würde. Greta hatte Besuch von ihrem alten Tennislehrer erhalten und Maggie von Audrey Hepburn. Ich wollte ihnen Fragen stellen, aber ich war immer noch geschockt davon, dass ich tatsächlich meinen Vater von den Toten heraufbeschworen hatte. Ein paar der Mädchen fragten mich nach meinem Erlebnis, aber ich antwortete kaum. Ich versuchte immer noch herauszufinden, was passiert war und was es bedeuten sollte, der Hafen, das Ertrinken, der Baum.
    Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster. Ich sah auf den See, der von riesigen Eichen und Tannen umgeben war. Und dann machte es Klick. Überrascht davon, wie offensichtlich es doch war, stand ich auf.
    Als ich gerade gehen wollte, kam Eleanor auf mich zu und zog mich beiseite. »Wir müssen reden«, sagte sie in einem derart ernsten Ton, dass es gar nicht nach Eleanor klang.
    Ich schob mir das Haar aus dem Gesicht. »Kann das bis nachher warten?«
    »Eigentlich nicht«, sagte sie und schaute mich prüfend an. »Was ist los?«
    »Wie komme ich nach draußen?«, fragte ich und blickte mich nervös um.
    Sie sah mich sonderbar an. »Man klettert den Kamin zum Keller runter«, sagte sie zögerlich. »Warum?«
    »Es … es hat geklappt. Es hat wirklich geklappt. Ich hab mit meinem Vater geredet. Und ich … ich muss jetzt einfach los. Ich erklär’s dir später.«
    »Kennst du denn den Weg zurück? Soll ich mitkommen?«
    »Keine Sorge, das schaff ich schon. Wir sehen uns später auf dem Zimmer. Okay?« Ich biss mir auf die Lippe.
    »Alles klar«, sagte sie, obwohl ich wusste, dass sie misstrauisch war. »Wenn du am Heizkessel vorbeigehst, kommt ein Notausgang. Der führt zur Rückseite vom Wohnheim. Die Alarmanlage springt nicht an, die funktioniert schon seit Jahren nicht mehr.«
    Ich lächelte. »Danke.«
    »Bist du sicher, dass ich nicht mitkommen soll?«
    Ich nickte und schnappte mir meine Sachen. »Bis später.«
    Ich taumelte den Schacht hinab, bis ich im Keller anlangte. Dort quetschte ich mich durch den Ausstieg und setzte meine Füße am Boden auf. Aus den Rohren an der Decke zischte der Dampf und füllte den Raum mit einemfeuchten, modrigen Wäschegeruch. Ich versteckte mich hinter einem großen Balken und blickte umher, um sicherzugehen, dass Mrs Lynch nicht irgendwo herumschlich. Zu meiner Linken lag der Heizraum, rechts die Waschküche. Vor mir erstreckte sich ein langer, betonierter Gang. Alles schien aus Wellblech gebaut zu sein. Überall waren Heizungsrohre, aus denen eine zähe Flüssigkeit tropfte, die gelbe Flecken auf dem Boden hinterließ. Ansonsten war der Raum leer. Ich zählte bis drei und sauste den Flur entlang, immer den Tropfen ausweichend, bis ich schließlich eine marode Eisentreppe entdeckte, die zum Notausgang führte.
    Mein Körper verkrampfte sich in der kalten Nachtluft. Ich bekam eine Gänsehaut und mir fiel wieder ein, dass ich ja praktisch nichts anhatte. Augenblicklich wurde ich verlegen, obwohl ich wusste, dass mich keiner sehen konnte. Dämliche Renée! Jetzt würde ich wahrscheinlich erfrieren, noch bevor ich überhaupt den Park erreichte, und wenn Eleanor mich dann in einer Séance heraufbeschwor, würde sie nur sehen, wie ich auf Zehenspitzen in Shorts auf dem Campus herumtappte wie ein Vollidiot.
    Aber was blieb mir übrig? Wenn mein Vater da draußen war, musste ich ihn finden. Ich lief über den Campus, vorbei am See und zwischen den Bäumen hindurch, bis die große Eiche in Sichtweite kam. Ihr knorriger Stamm sah ohne die Blätterbüschel noch dicker aus und die kahlen Zweige dehnten sich hoch über dem Rasen wie ein Wurzelsystem. Es war genau der Baum, der mir bei der Séance durch den Kopf gegeistert war.
    In einiger Entfernung zeichneten sich bei der Statue desgroßen Bären auf einmal zwei Gestalten aus der Dunkelheit ab. Auf den

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