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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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und gegen das Eis drückten. Mit all meiner Kraft zerrte ich ihn hinaus in den Schnee.
    Dort drehte ich ihn um und rieb sein Gesicht, um es zu wärmen, als ich bemerkte, was er sich an die Brust gedrückt hielt. Eine kleine Eisentruhe mit Schließen an den Seiten und dem eingravierten, verwitterten Kanarienvogelwappen auf dem Deckel.
    »Du hast es gefunden«, sagte ich und wickelte sein Sakko und den Mantel fest um ihn herum. Sein Haar war steif gefroren. »Du hast es tatsächlich gefunden.«
    Noah schenkte mir ein fahles Lächeln, während sein Gesicht jede Farbe verlor und seine Lippen blau wurden. Ohne nachzudenken beugte ich mich vor und küsste ihn.
    Als ich mich zurückzog, lächelte er mich traurig an. »Das gefällt mir.«
    Ich lachte und verdrehte die Augen. »Okay«, sagte ich und fasste ihn bei der Hand. »Kannst du gehen, meinst du?«
    Er tat etwas, das man als Nicken deuten konnte, und legte seinen Arm um meinen Hals.
    »Wohin?«, fragte er, als ich in die Knie ging. Ich vergewisserte mich, dass die Luft rein war, und führte ihn dann durch den Park.
    »Hinein, damit wir dich warm kriegen.«
    Das nächste Gebäude war das Haus Horaz, das jetzt leer sein musste, denn der Unterricht war längst aus. Auf gut Glück steuerte ich darauf zu, Noah auf mich gestützt. Wir waren fast beim Eingang, da erstarrte ich. Die Tür schwang auf und heraus stürmte mein Großvater, seinen Spaten wie einen Spazierstock in den Boden rammend. Der feuchte Nebel klebte ihm das spärliche weiße Haar fest an den Kopf. Geistesgegenwärtig zerrte ich Noah hinter einem Schneehaufen zu Boden. Wir warteten, und nachdem die Doppeltür von Haus Horaz hinter meinem Großvater zugefallen und er außer Sichtweite war, half ich Noah auf und zog ihn hinein.
    Der Eingangsbereich war dunkel, die Fenster von dicken blauen Vorhängen abgeschirmt. Unter ihnen gluckerten die Heizkörper und unsere Schuhe versanken im roten Flauschteppich. Ich setzte Noah ab und hielt seine Hand an mein Kreuz, damit sie auftaute. Noah schloss die Augen und seine Muskeln entspannten sich. Von der Galerie ein Stockwerk höher schlug die Standuhr siebenmal. Ihr lang gezogener, träger Klang erinnerte mich an das Haus meines Großvaters in Massachusetts.
    Stöhnend richtete Noah sich auf.
    »Nein«, sagte ich. »Ruh dich aus.«
    Aber er schüttelte den Kopf und hielt mir die Truhe vom Seeboden unter die Nase. »Mach sie auf.«
    Ich zögerte.
    »Los, komm«, drängte er und drückte sie mir in die Hände. Erstaunlich schwer war sie, aus dunklem, aufwendig gepunztem Metall. Auf dem Deckel war das Kanarienwappen eingraviert. Ich fuhr die Flügel des Vögelchensnach, die immer noch mit Schlamm gefüllt waren. Ich rüttelte die Spangen von Schmutz und Rost frei, ließ sie aufschnappen und öffnete die Truhe.
    Das Innere war völlig trocken. Im Innendeckel war ein ausgestopfter Kanarienvogel festgesteckt. Mit seinen hellgelben, ausgebreiteten Flügeln sah er aus, als schwebe er im Himmel. Erst da begriff ich, worauf sich das Rätsel bezogen hatte.
Dem Besten unsrer Art
. Nur der beste Wächter konnte einen Kanarienvogel erspüren, besonders wenn er sich unter Wasser befand.
    Unter dem Kanarienvogel befand sich ein kleineres Metallkästchen, in das ein merkwürdiger Umriss eingraviert war. Fast sah er aus wie der Umriss eines Kanarienvogels im Flug. Quer darüber waren Dutzende von Linien, Punkten und Dreiecken gezeichnet, die sich zu einer Art wirbelnder Landschaft zusammensetzten. In die Mitte war ein Satz eingeritzt:
Pour l

amour vrai.
    »Der wahren Liebe«, flüsterte ich. Endlich begriff ich, weshalb Ophelia sich entschlossen hatte, den Pakt mit ihren Schwestern zu brechen. Sie hatte das Geheimnis nicht mit ihnen sterben lassen können. Sie hatte geliebt, genau wie ich. Wie Dante war sie nicht bereit für den Tod gewesen. Ich fasste das Kistchen und versuchte, den Deckel anzuheben, aber es gelang mir nicht.
    »Es klemmt«, sagte ich und drehte es um, um nach der Fuge zu suchen. Doch bevor ich mehr tun konnte, wehte die Eingangstür von Haus Horaz auf und schlug laut gegen die Wand. Eiskalt zog es ins Foyer hinein.
    »Was war das?«, fragte Noah, aber ich wusste es bereits. Ich konnte es fühlen.
    Ich legte das Kistchen zurück in die Truhe, ließ die Spangenzuschnappen und steckte sie in meine Tasche. »Bleib, wo du bist«, sagte ich und rannte hinaus zur Eingangstreppe.
    Um das verlassene Schulgelände senkte sich die Nacht herab wie ein Vorhang. Hörte ich da

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