Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
suchen, sie überwachen. Wahrscheinlich bezieht sich das hier auf einen entsprechenden Fall, über den sie sich mit Annette LaBarge beraten haben.«
»Aber sie meinte, sie sucht nach einem
verschwundenen
Mädchen, nicht nach einem untoten Mädchen –«
Mein Großvater ließ mich nicht ausreden. »Wächter drücken sich in ihren Briefwechseln gerne diffus aus, falls ihre Schreiben abgefangen werden. Genau wie Annette ihren Besitz unterirdisch aufbewahrt hat. Eine Vorsichtsmaßnahme.«
»Aber gleich danach sind sie umgebracht geworden. Und jetzt ist Miss LaBarge tot. Was wäre, wenn sie da draußen auf dem Eriesee nach demselben gesucht hat –«
»Was deine Mutter gesucht hat? Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Lydia ist bei der Ausübung ihrer Pflichten von einem Untoten getötet worden. Ein ehrenvoller Tod.«
»Und warum hat Miss LaBarge den Brief hinter einem Foto versteckt –«
Heftig schnitt mir mein Großvater das Wort ab. »Deine Eltern waren Wächter. Alles an ihrem Beruf war geheim, also kommt es mir nicht besonders seltsam vor, dass deine Mutter einen geheimnisvollen Brief geschrieben hat.«
Er musste gemerkt haben, wie ich vor ihm zurückgezuckt war, denn sofort hatte er sich wieder im Griff. »Es tut mir leid«, sagte er.
»Darf ich ihn behalten?«, fragte ich. »Den Brief. Ich hätte so gern etwas Persönliches von ihr.«
Mein Großvater zögerte, faltete dann aber den Brief zusammen. »Natürlich.«
»Danke«, sagte ich leise. Während ich meinem Großvater beim Einsammeln der Zeitungsausschnitte aus Miss La-Barges Arbeitszimmer zusah, fragte ich mich, ob meine Eltern je die Gelegenheit gehabt hatten, von ihrer Entdeckung zu berichten. Und wenn ja, worin hatte sie bestanden? Doch selbst wenn sie noch hatten reden können, war zu befürchten, dass ihr Geheimnis gemeinsam mit meiner Lieblingslehrerin gestorben war.
Nach einer langen, schweigsamen Autofahrt kamen wir abends beim Herrenhaus an. Wir stiegen aus und steuerten direkt auf das Esszimmer zu, wo der Koch für uns Würstchen,Butterbrötchen und Gemüsepastete auf dem Tisch bereitgestellt hatte. Normalerweise liebte ich dieses Essen, aber heute wirkte es wie aus Plastik.
Seufzend stopfte sich mein Großvater seine Serviette in den Hemdkragen. Mir war klar, dass er immer noch über meine Mutter und Miss LaBarge nachdachte. Einen Moment lang sah er einfach nur aus wie ein alter Mann – traurig, erschöpft und zerbrechlich. Bei diesem Anblick wurde mir klar, dass ich ihn einweihen musste.
»Ich hatte da einen Traum«, sagte ich, während ich an einem trockenen Brotstückchen herumpickte.
»Einen Traum?«
»Dass ich hinter Miss LaBarge her war, während sie mit einem Boot über einen See gerudert ist.«
Mein Großvater hörte auf zu kauen. »Wie bitte?«
»In der Nacht auf meinen Geburtstag hab ich das geträumt. In der Nacht, in der sie umgekommen ist.«
Er legte sein Besteck ab. »Du willst mir sagen, dass du Annette LaBarges Tod geträumt hast?«
Ich schob mir das Haar hinter die Ohren. »Na ja, nicht im eigentlichen Sinn. Nur die Momente davor. Aber ich war hinter ihr her, als ob ich sie töten wollte.« Mir war gar nicht bewusst, was ich da sagte, doch kaum waren die Worte aus meinem Mund, wusste ich, dass sie die Wahrheit waren. Warum sonst hätte ich Miss LaBarge so verfolgen sollen?
Er schob seinen Teller zur Seite und lehnte sich über den Tisch. »Was verschweigst du mir?«
»Was meinst du?«, fragte ich. »Ich habe dir doch gerade von meinem Traum erzählt …«
»Aber mehr auch nicht. Ich habe mit Dr. Porter gesprochen.Er meinte, dass du bei euren Treffen nicht besonders kooperativ gewesen seist.«
Ich schob das Gemüse auf meinem Teller herum. »Keine Ahnung, worauf du hinauswillst.«
»Der Arzt hat gemeint, dass du noch nicht mal seine Fragen beantwortet hast.«
»Na, weil er dauernd etwas über meine Eltern und meine Freunde wissen wollte und worüber wir uns am Telefon unterhalten. Er hat mich sogar nach meinem Liebesleben gefragt«, sagte ich, stach auf die Wurst ein und versuchte, meine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Er ist Arzt. Ich wüsste nicht, was ihn das alles angeht.« Nachdem ich fertig gekaut hatte, legte ich die Gabel zur Seite. »Gibst du mir mal das Salz?«
Als mein Großvater keine Anstalten dazu machte, eilte Dustin aus der Zimmerecke herbei und reichte mir den Streuer. Mein Großvater beäugte mich, während ich mir Salz auf die Gemüsepastete schüttete und dann
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