Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Gesicht verriet keinerlei Emotionen.
»Und du bist Clementine. Du wohnst bei mir gegenüber.«
»Ich weiß, wo ich wohne«, sagte sie mit ruhiger, fester Stimme. Hinter ihr brachen zwei Mädchen im Partnerlook in Gelächter aus. »Also, hast du jetzt den Kuss des Untoten überlebt oder nicht?«
Irgendwo im Raum schlug eine Spindtür zu. Die Mädchen sezierten mich mit ihren Blicken, während sie auf meine Antwort warteten. Doch ich hatte es so satt, von Fremden angestarrt zu werden, immer wieder die gleichen Fragen gestellt zu bekommen. Sie waren in jener Nacht nicht dabei gewesen; sie hatten keinen blassen Schimmer, was passiert war. Was gab ihnen das Recht, in den persönlichsten Augenblicken meiner Vergangenheit herumzuschnüffeln? Aus ihren Blicken konnte ich schon herauslesen,dass es völlig gleich war, was ich sagte. Sie glaubten ohnehin schon an meine Unsterblichkeit. Also, sollten sie doch.
Clementine stemmte eine Hand in die Hüfte. »Also, ist es wahr oder nicht?«
Scheinbar ungerührt zuckte ich die Schultern. »Ich bin am Leben, oder?«
Im Umkleideraum brach auf einmal wildes Geflüster los, aber Clementine sagte nichts; ihre Augen klebten an meinem Spiegelbild.
»Beweis es doch.«
Ich zögerte; mein Gesicht im Spiegel starrte mich befremdet an. War das ihr Ernst?
Clementine verschränkte die Arme vor der Brust. »Los, mach.«
Am Ende des Raums führte eine Treppe hinunter zum Schwimmbecken, wie mir ein Schild verriet. Ich ging darauf zu. Die Untoten konnten nicht in den Keller gehen – das würde sie zur Ruhe bringen, genau wie eine Beerdigung.
Auf der obersten Stufe machte ich eine dramatische Pause und ich spürte, wie alle die Luft anhielten, als ich hinabstieg.
Hinter mir murmelten die Mädchen: »Wie kann das sein? Was ist da passiert?« Da unterbrach sie das Aufschwingen der Tür zum Umkleideraum.
Herein trat eine anmutige Frau. Das Alter hatte ihre Wangen hohl werden lassen, aber ihr Hals war dünn und gebogen wie der eines Schwans. Sie trug ein wollenes Kostüm und die Haare zu einem Dutt getürmt.
»Mädchen?«, sagte sie mit starkem französischem Akzent. »Es wird Zeit.«
Im Gänsemarsch ging es hinaus in die Turnhalle, wo sie uns je einen Bleistift und eine Karte des Schulgeländes in die Hand drückte. Die Jungen waren nirgends zu entdecken; wahrscheinlich wurden sie irgendwo anders geprüft.
»Bonjour«,
sagte die Frau. Neben ihr stand ein kindlich wirkender Mann, dessen rundes Gesicht ihm über die Augen zu quellen schien. »Ich bin Madame Goût und dies ist Monsieur Pollet«, fuhr sie fort und sprach den Namen
Polée
aus.
»Poll
et
«, verbesserte der Mann und betonte das
t.
Er klang amerikanisch.
Sie ignorierte ihn völlig. »Wir beaufsichtigen Ihren Einstufungstest. Anhand dieser Prüfung wird Ihr Rang innerhalb der Klasse festgelegt. Wir bewerten Ihre Begabung, Schnelligkeit und Strategie.«
Sie drehte sich zu Mr Pollet, der das Wort ergriff. »Wir haben auf dem Campus von St. Clément neun tote Tiere versteckt. Ihre Aufgabe ist es nun, auf der Karte, die Sie erhalten haben, die exakte Position jedes einzelnen Tieres einzuzeichnen. Wir erwarten, dass die Liste in der richtigen Reihenfolge durchnummeriert wird. Am Ende der Prüfung sammeln wir sie ein.«
»Was für eine Reihenfolge?«, wollte ein sommersprossiges Mädchen wissen.
Die Frau schaute sie finster an. »Das bleibt natürlich Ihnen überlassen.«
Ein kurzer Blick in die Runde verriet mir, dass ich keineswegs die Einzige war, die mit diesen Anweisungen nichts anfangen konnte.
Mr Pollet fuhr fort. »Zum Auffinden und Bestimmen dieser Tiere steht Ihnen jede Methode frei. Es gibt nur dreiRegeln. Erstens, in genau einer Stunde sind Sie wieder hier. Zweitens, Sie dürfen die Tiere nicht anfassen, bewegen oder gar an einen anderen Ort bringen. Und drittens: Jeder für sich.«
Madame Goût übernahm. »Gibt es noch irgendwelche Fragen, bevor es losgeht?«
Ich spürte, wie Panik in mir aufstieg. Ich hatte zu viele Fragen. Eine Stunde? Um neun tote Tiere zu finden, die irgendwo auf dem Schulgelände verborgen waren, während alle anderen Mädchen genau das Gleiche taten? Das war einfach nicht drin.
»Nein?« Die Sehnen in ihrem Hals traten hervor, als sie in die Runde spähte, um keine Meldung zu verpassen. »Okay. Machen Sie sich bereit.« Sie blickte auf die Wanduhr. Als die Zeiger genau neun Uhr trafen, sagte sie: »Los geht’s.«
Alles stob auseinander. Einige der Mädchen irrten umher, unsicher, was
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