Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Gesicht geschrieben, und lehnte sich dann zurück. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Ich verrat’s niemandem.«
»Danke«, sagte ich sanft und sah dem Dampf zu, der aus meiner Tasse aufstieg.
Anya schwieg einen Moment und faltete dann die Hände auf dem Tisch. »Also, was stellen wir jetzt an mit deinen Visionen? Sollen wir uns was ausdenken, wie wir ihnen nachgehen können?«
»Darüber muss ich mir noch ein bisschen den Kopf zerbrechen«, sagte ich. Mir hallte noch immer Dantes Stimme im Kopf, seine Bitte, mich nicht in Gefahr zu bringen. »Was,wenn genau das Gegenteil der Fall ist und die Träume eigentlich eine Warnung sind? Wenn ich sie nur sehe, um zu wissen, wovor ich mich hüten muss?«
Anya verdrehte die Augen, als sie in ihren Mantel schlüpfte. »Du hast von einem Krankenhausbett im Royal Victoria geträumt. Wie genau brauchst du’s noch?«
Da war was dran. Als wir auf die Straße hinaustraten, drehte ich mich zu ihr. »Wart mal. Ich hab noch gar nicht gefragt, was Zinya bei dir gesehen hat.«
Anya zögerte und begann, an den Fransen ihrer Tasche herumzuspielen. »Es bringt Unglück, mit jemand anderem über die eigene Zukunft zu reden.«
»Aber das hat dich auch nicht gestört, als ich dir von mei-«, wollte ich sagen, doch Anya würgte mich ab.
»Vergiss es, Renée. Das bringt nur Unglück.« Sie schob sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. »Vielleicht ändere ich später noch meine Meinung.«
Die ganze nächste Woche schafften wir es nicht ins Krankenhaus. Als der Unterricht richtig begonnen hatte, waren Anya und ich zu beschäftigt mit Schularbeiten, um irgendetwas zu planen, und verschoben unseren Ausflug schließlich aufs Wochenende. In der Zwischenzeit wartete ich und ließ jede Nacht mein Fenster offen, aber die Tage verstrichen wie die Nächte ohne ein Zeichen von Dante.
Vor dem Unterricht am Montagmorgen strich ich mit dem Finger um das Mal an meinem Rücken und verbog mich vor dem Spiegel, um genau zu sehen, wie sich nach einer heißen Dusche seine Ränder rosa färbten. Es war gut zu wissen, dass es noch da war, eine Erinnerung daran, dass ein Teil von Dante in mir steckte. Nach dem Anziehen spazierteich zum
dépanneur
, einem Minimarkt in der Nähe der Schule, und kaufte mir eine Tageszeitung. Ich sah mir jede Seite genau an, suchte nach Todesfällen, Vermisstenmeldungen, geheimnisvollen Erscheinungen – nach allem, was irgendwie mit Untoten zusammenhängen könnte. Und obwohl mir klar war, dass es wohl kaum in der Zeitung stehen würde, wenn die Wächter Dante aufgespürt und begraben hätten, ging es mir danach besser.
Ein Junge hielt mir die Tür auf, als ich zur Lateinstunde eintraf. »Danke«, murmelte ich und schaute ihn kaum an, während ich mich ganz hinten am Tisch niederließ. Als ich eben die aufgeschlagene Zeitung unter dem Tisch deponiert hatte, um in einem unbeobachteten Augenblick die Todesanzeigen zu studieren, hörte ich hinter mir eine Stimme.
»Irgendwelche Neuigkeiten von draußen?«
Brett zog den Stuhl neben mir hervor und hängte sein Jackett über die Lehne. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, sprach er von Dante.
»Nein.« Ich lächelte ihn traurig an.
»Wir haben uns lange nicht mehr unterhalten«, sagte er und senkte die Stimme. »Wie läuft’s denn so?«
Ich zuckte die Schultern. »Ging schon mal besser.«
»Klar. Ich hab gehört, wie die Mädchen sich beim Abendessen das Maul zerreißen. Aber darauf würde ich überhaupt nichts geben. Die Leute hier haben einfach keine Ahnung, was Sache ist. Die meisten von denen haben ja noch nicht mal einen Untoten zu Gesicht bekommen. Halt dich einfach im Hintergrund und mach deine Arbeit, alles andere erledigt sich schon von selbst.«
»Danke«, sagte ich. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie viel mir seine Worte bedeuteten.
Monsieur Orneaux, unser Lateinlehrer, saß schon am Kopf des Tisches, als hätte er einen Besenstiel verschluckt. Er war ein hagerer Mann mit dunklem, schwermütigem Blick und hohlen Wangen und sein steinerner Gesichtsausdruck schien sich von Stimmungen kaum beeinflussen zu lassen. Zu mögen schien er niemanden, aber für Frauen empfand er offensichtlich besonders heftige Abscheu.
»Latein ist eine Sprache der Strategie, uralter Kriege, heidnischer Götter und Opfergaben, und später die Sprache des Priestertums. Es ist eine Sprache, die seit jeher im Jenseits verankert ist.« Er hatte die Angewohnheit, sich jede Silbe aus dem Mund zu ziehen, als wäre
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