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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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Blutdruckmanschette am Arm und das kalte Stethoskop auf meinem Rücken.
    »Immer noch unregelmäßig«, sagte der Arzt, als er meinen Herzschlag mit seiner Armbanduhr abzählte. »Aber ansonsten scheint alles normal.« Mit knackenden Kniegelenken erhob er sich und holte mir ein Handtuch aus einem Vorratsschrank. »Was soll ich nur mit Ihnen anfangen?«
    Ich bedankte mich und trocknete mir das Gesicht ab. Dr.   Neuhaus zog sich die Brille von der Nase. »Können Sie mir schildern, was genau geschehen ist?«
    Ich berichtete ihm von Strategie und Prognose, von dem Boot und davon, wie ich ohnmächtig geworden und ins Wasser gestürzt war, als der Rektor den Friedhof Mont-Royal erwähnt hatte.
    »Können Sie sich danach noch an irgendwas erinnern?«
    »Ich hatte wieder eine Vision«, sagte ich. »Ich habe bei irgendeinem Grab geschaufelt, aber mittendrin aufgehört.«
    Dr.   Neuhaus’ Augen wurden schmal. »Wessen Grab war denn das?«
    SŒUR, dachte ich, doch ich antwortete: »Es stand kein Name drauf.«
    Er grunzte. »Anscheinend werden Ihre Visionen vonvisueller oder akustischer Stimulation ausgelöst. Ein Foto, eine bestimmte sprachliche Wendung   …«
    Ich sagte nichts. Da lag er schon teilweise richtig, aber ich wusste, dass mehr dran war. Es war ein Gefühl, ein starkes Gefühl der Angst, des Grauens, des Hasses, der Enttäuschung.
    »Konnten Sie irgendeine weitere Verbindung entdecken zwischen dieser Vision und der von neulich?«
    Ich zögerte. Da wäre der zweite Teil des Rätsels, über den ich mich eigentlich hätte freuen sollen. Doch etwas anderes nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Warum hatte ich nicht ins Loch springen können? Warum hatte mein Fuß so seltsam reagiert? Warum hatte ich den Spaten nicht berühren wollen?
    »Renée?«, fragte Dr.   Neuhaus und suchte meinen Blick. »Irgendwelche Verbindungen zwischen Ihren Visionen?«
    »Äh   – nein«, antwortete ich mit schlagartig ausgedörrtem Mund. Nur aus einem einzigen Grund hätte ich nicht ins Loch springen können: wenn ich untot gewesen wäre. Aber ich war nicht untot. Ich konnte unter die Erde gehen, ich war in den Tunneln von Montreal gewesen.
    Der Doktor notierte sich irgendetwas auf seinem Block und ich fragte mich, was.
    »Haben Sie die Medikamente genommen, die ich Ihnen verschrieben habe?«
    Ich blickte auf den Teppich und brachte seine Fransen mit meiner Zehe in Reih und Glied. »Nein.«
    »Warum nicht?«, fragte er mit missbilligendem Unterton.
    »Hab ich   – vergessen.«
    »Verstehe. Nun ja, ich rate Ihnen immer noch sehr zurEinnahme.« Dr.   Neuhaus verschränkte die Arme. »Haben Sie über mein Angebot nachgedacht?«
    Ich runzelte die Stirn und fragte mich, worauf er hinauswollte.
    »Mich regelmäßig aufzusuchen.«
    »Ach, äh, nein danke. Ich glaube, jetzt geht’s mir besser.«
    Dr.   Neuhaus schien nicht im Mindesten überzeugt, doch er ging nicht weiter darauf ein. »Bitte sehr, das ist Ihre Entscheidung. Aber legen Sie den Gedanken nicht zu den Akten.« Er stand auf und fuhr fort. »Nun, dann will ich mal Ihren jungen Mann nicht weiter warten lassen. Er hat ziemlich viel Geduld bewiesen.«
    Ich erstarrte. »Junger Mann?«
    Der Arzt nickte und begleitete mich zur Tür. »Er wartet draußen auf Sie.«
    Dante. Wie konnte er hier am St. Clément sein? Das war zu gefährlich. Auf einmal wurde mir bewusst, dass mein Haar nass war und meine Kleider wahrscheinlich genauso rochen wie der Fluss. Ich warf mir meine Tasche über die Schulter, bedankte mich bei Dr.   Neuhaus und schlüpfte aus der Tür.
    Doch als ich auf den Flur trat, war es nicht Dante, der da auf der Bank saß und las.
    »Noah?«
    Ich musste ihn erschreckt haben, denn er fuhr zusammen und ließ sein Buch fallen.
    »Renée«, sagte er und musterte mich durch seine Brille. »Lautlos wie eine Katze.«
    Lächelnd bückte ich mich und hob sein Buch auf. Auf den Seiten schlugen sich farbenfrohe Helden und Schurken die Köpfe ein. Ganz auf Französisch.
    »Comics?«, musste ich grinsen und reichte es ihm zurück.
    »Höre ich da eine gewisse Verachtung heraus?«, fragte er.
    Ich lachte. »Worum geht’s?«
    »Superhelden, die in den Napoleonischen Kriegen mitkämpfen. Aber eigentlich geht’s um viel mehr. Das Leben, den Tod, Gewalt, Liebe, Unsterblichkeit. Die Bedeutung unserer Existenz auf Erden.« Sein Tonfall war ernst, doch in seinen Augen tanzte der Schalk. »Wär sicher was für dich.«
    »Warum glaubst du das?«
    »Hast du nicht auch

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