Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Superkräfte?«
Ich zuckte die Achseln. »Tja, aber bei Französisch setzt’s bei mir aus. So viel also dazu.«
»Und damit wäre ihr wunder Punkt endlich enthüllt«, scherzte er und stand auf.
»Warst du die ganze Zeit hier?«
Er zuckte abwehrend die Schultern. »Ich wollte nur sichergehen, dass alles in Ordnung ist.«
Ich zupfte an einem Schlammbröckchen, das an meiner Bluse klebte. Diesen peinlichen Vorfall wollte ich lieber komplett aus meinem Gedächtnis streichen. »Danke.«
Es war schon Abend, als wir das Gebäude verließen und über den Hof zu den Wohnheimen marschierten. Gerade wollte ich Noah noch mal danken und zu meinem Zimmer hochgehen, da wandte er sich mir zu.
»Hey«, sagte er, »hast du Hunger? Ich kenn einen wirklich guten französischen Imbiss.«
»Was ist mit Clementine?«
Noahs Miene fiel leicht in sich zusammen. »Oh, ich glaub, sie hat heute Abend zu tun. Aber das macht ihr sicher nichts aus.«
Ich konnte nicht anders, ich musste einfach lachen. Natürlich würde es ihr etwas ausmachen.
Noah fand das allerdings weniger komisch. »Was ist daran so lustig?«
»Nichts«, murmelte ich.
»Also, was meinst du?« Er legte seinen Kopf schief, um meinen Blick einzufangen. »Wenn du kein französisches Essen magst, können wir auch woanders hingehen.«
Ich kaute auf meiner Lippe und merkte, wie mich das schlechte Gewissen einholte. »Ich kann nicht.«
Noah trat einen Schritt zurück. »Oh, okay.«
»Tut mir leid. Ich hab einfach –«
»Nein, schon okay. Du musst dich nicht rechtfertigen.«
Ich nickte dankbar und wollte mich gerade wegdrehen, als er sagte: »Wegen eines Jungen, oder?«
»Bitte?«
»Ich erkenn’s an deinem Gesichtsausdruck.«
Ich schob mir die Ponyfransen aus dem Gesicht. »Keine Ahnung, wovon du redest.«
»Ich wusste, dass du das sagen würdest«, zwinkerte er mir zu. »Aber fragen kostet ja nichts.«
Er hielt mir die Tür auf und mit einem letzten Winken schlüpfte ich hinein. Im Flur kam ich an Clementine vorbei und hörte, wie sie sich bei einer ihrer Freundinnen nach deren Abendessenplänen erkundigte. Ich musste ein bisschen zu offensichtlich herumgetrödelt haben, denn Clementine warf mir einen vernichtenden Blick zu und fragte mich, was es zu glotzen gebe. Ohne zu antworten, drückte ich mich an ihnen vorbei. Warum hatte Noah mir weismachen wollen, dass Clementine heute Abend schon verplant war?
Auf meinem Zimmer duschte ich mir das Flusswasser aus den Haaren, durchwühlte meinen Kleiderschrank nach trockenen Klamotten und machte mich auf den Weg. Ich schlich mich am Schultor vorbei durch die Stadt, bis ich den langen, gewundenen Pfad erreicht hatte, der mich an den Fuß des Mont Royal brachte. Ich wickelte mich fester in meinen Mantel und begann den Aufstieg, vorbei an der Stelle, wo ich den Jungen und das Mädchen am Brunnen beim Küssen beobachtet hatte. Ich sah noch genau vor mir, wie sie sich gehalten und dann geküsst hatten, als hätte es sie plötzlich überwältigt.
Gerade wollte ich weitergehen, als ich hinter mir Blättergeraschel hörte. Ich erstarrte. Ein Stein kam den Hügel herabgepurzelt. Einen Moment lang dachte ich, es wäre schon wieder das Pärchen, doch ich sah nur eine Motte, die an einer Laterne flatterte. Ansonsten blieb alles ruhig.
Ich ging weiter, bis ich mich an den verschlungenen Gittertoren des Friedhofs Mont-Royal wiederfand. Ich blieb davor stehen und ließ die Hand über die kalten Stäbe gleiten. Dahinter lagen die geschwungenen Reihen der Grabsteine, die sich nach hinten erstreckten, so weit der Blick reichte. Müde Laternen erhellten den Pfad.
Auf meinen Druck hin öffnete sich das quietschende Tor gerade weit genug, dass ich mich hindurchzwängen konnte. Innen war der Friedhof genauso wie in meiner Vision.
Das Gras war voller Raureif und wirkte wie an Ort und Stelle festgefroren, doch als ich es betrat, schien sich plötzlich einer der Grabsteine zu bewegen.
Ich japste und suchte den Schutz eines Baumes, als das Eis an meinen Füßen und Beinen zu kristallisieren begann. Dante war hier.
Er stand neben einem schwarzen Marmorgrabmal, das die Form einer griechischen Säule hatte. Das einzig Erkennbare waren die Kanten seines Gesichts, die sich elfenbeinfarben von den Schatten abhoben wie die Flächen einer Statue.
»Renée?« War es der Wind, der seine Stimme verzerrte? Als er meinen Namen rief, wusste ich, dass er von meinem Anblick ebenso überrascht war wie ich von seinem.
Bevor unsere Arme sich fanden,
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