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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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Augen. Kreischend zuckte sie zusammen.
    »Okay!« Sie fuhr sich über das Gesicht. »Zurück an die Arbeit.«
    »Du arbeitest zu viel«, sagte Noah und schüttelte sich das Wasser von den Händen.
    »Alle suchen schon nach dem Vieh, wir werden noch die Letzten.«
    »Ach, komm schon«, sagte Noah. »Das ist Unterricht, sonst nichts. Außerdem, wie schwer kann das schon sein?«
    Clementine richtete sich die Haarspange. »Alles, was sich lohnt, ist schwer«, sagte sie und schnappte sich ein Ruder.
    Noah seufzte und ließ seinen Blick über den Fluss gleiten, während sie zurückruderte. Ich spürte, wie seine Augen an mir hängen blieben.
    Clementine musste ihn beim Starren erwischt haben, denn ihr Mund verzog sich. Ich sah schnell weg und flüchtete unter Anyas Anweisungen im Zickzack, bis wir so nahebeim Rektor gelandet waren, dass wir sein Gespräch mit einem anderen Boot weiter vorn mithören konnten.
    »Stopp«, sagte Anya. »Ich glaube, es ist genau unter uns.«
    Ich spürte gar nichts und wusste, dass sie falschlag. Aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich legte die Ruder ab, beugte mich nach vorn und starrte ins Wasser hinab, wo ich das Spiegelbild des neben zwei Mädchen entlangrudernden Rektors sehen konnte.
    Ich beobachtete seine Lippenbewegungen. »Der Tradition nach werden Wächter auf See bestattet   – dort können ihre Leichen nicht gefunden werden, noch nicht mal von ihren Wächterkollegen. Nur wenige Wächter wünschen sich eine Erdbestattung. Die werden dann in der Wächterabteilung des Friedhofs Mont-Royal beigesetzt.«
    Friedhof Mont-Royal.
Ich betrachtete das gespiegelte Gesicht des Rektors. Plötzlich fühlte ich mich ausgelaugt und elend, als hätte ich nach etwas gesucht, es jedoch nicht gefunden.
    Friedhof Mont-Royal.
Mir war schwummerig. Ich hasste mich. Hasste es, versagt zu haben.
    Erst kam der Würg-, dann der Hustenreiz. Wie in Zeitlupe spürte ich, dass ich vornüberkippte. Ein Platschen. Und dann wurde alles kalt.
    Als ich wieder auftauchte, war ich trocken und stand inmitten einer Baumgruppe am Berghang. In einer Hand hielt ich eine Taschenlampe. Die Stadt unter mir war nur noch ein Gewirr winziger Lichterketten und dahinter konnte ich den Sankt-Lorenz-Strom sehen, seine mondlichtglitzernden Wellen.
    Ich marschierte los. Ein paar Hundert Meter weiter gab es einen von Straßenlaternen beleuchteten Pfad für Jogger,der sich den Berg hinaufwand. Ich mied ihn. Ich wollte nicht gesehen werden und schlängelte mich zwischen den Bäumen durch, bis ich auf der anderen Seite des Bergs Mont Royal angekommen war.
    Zwei Jugendliche standen bei einem Trinkbrunnen und hielten Händchen. Gegen meinen Willen hielt ich an und sah ihnen zu, wie sie miteinander flüsterten und lachten. Sie schienen so sorglos, als wäre Zeit für sie nur ein Wort. Der Junge spielte mit dem Haar des Mädchens, berührte ihren Hals und ich lehnte mich gegen einen Baumstamm ganz in ihrer Nähe. Meine Augen waren so trocken, dass es wehtat. Als das Mädchen sich vorbeugte, um dem Jungen einen zarten Kuss aufzuhauchen, musste ich wegschauen.
    Da verriet mich das laute Knacken eines Asts, das sich in die Stille schnitt. Das Pärchen erstarrte und drehte sich in meine Richtung. Auf keinen Fall durften sie mich sehen; ich ging in die Hocke und schloss die Augen. Ich wollte nicht über mich selbst nachdenken, darüber, dass ich hier war und in ihre Intimsphäre eindrang. Langsam zog ich mich ins Gehölz zurück, und als ich außer Sichtweite war, rannte ich auf der anderen Bergflanke wieder abwärts. So sehr ich es mir auch anders wünschen mochte: Immer würde ich diejenige bleiben, die zwischen den Bäumen versteckt zum Zuschauen verdammt war, denn das, was sie hatten, würde ich nie besitzen.
    Als ich auf der anderen Seite des Mont Royal herabstieg, fand ich mich vor den hohen schwarzen Toren eines Friedhofs wieder. Der bloße Anblick der schmiedeeisernen Ranken entspannte mich. Als ich hineinschlüpfte, schien die Luft ganz ruhig und leise zu werden, die Motorengeräusche der Straße sich im Nichts aufzulösen.
    Ich drehte meine Taschenlampe auf. Der Friedhof hatte überwältigende Ausmaße; ein Ende der Grabsteinreihen war gar nicht erkennbar. Eingeschüchtert steuerte ich einen Plan an, der so kompliziert und verzweigt aussah wie ein Nervensystem. Ich überflog das Verzeichnis, fand den gesuchten Abschnitt und legte meinen Finger darauf, bevor ich den Weg von meinem Standpunkt bis zu dem winzigen Areal im hinteren

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