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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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erinnerst?«
    Clementine rang mit sich, ob sie mir glauben sollte. Ich sah, dass sie wankte, und bevor sie reagieren konnte, schnappte ich mir die Schaufel und entwand sie ihr. Souveräner als erwartet drehte ich sie um und richtete sie auf sie.
    Ihre Freundinnen schienen ihr beispringen zu wollen, aber sie hatten viel zu viel Angst vor mir, um näher zu kommen. Ich hatte sie in der Hand.
    Ich presste die Schaufelkante gegen Clementines Hals. »Warum bist du mir gefolgt?«, fragte ich.
    Sie versuchte, ihr Gesicht zu wahren, und hob eine Augenbraue. »Weil ich mir sicher war, dass du was vorhast. Und ich hab richtiggelegen.«
    »Willst du wirklich wissen, was ich getan hab?«, fragte ich.
    Clementine reckte das Kinn vor, sagte jedoch nichts.
    »Okay, ich erzähl’s dir. Oder wie wär’s damit: Ich zeig’s dir einfach.«
    »Gut.« Ich spürte genau, dass sie mir nicht traute.
    »Beug dich vor«, sagte ich.
    Sie folgte meiner Aufforderung.
    »Wisch die Frostschicht von dem Grabstein weg.«
    Ich sah, wie sich ihre Halsmuskeln anspannten, während sie ihren Handballen über das Kanarienvogelwappen rieb. Als sie über ihre Schulter zu mir aufblickte, spiegelte sich Mondlicht in ihren Augen. »Soll das ein Witz sein?«
    Ich drehte die Schaufel um und reichte ihr den Griff. »Keineswegs. Genau danach hab ich heute Abend gesucht.«
    Vorsichtig nahm sie mir den Spaten ab und wir traten ein paar Schritte auseinander. Sie ließ den Blick sinken, kniete nieder und las die Inschrift.
    »›Zur Ruh’ gebettet ist’s bewahrt‹«, las sie und drehte sich zu mir um. »Hier soll das Geheimnis der Neun Schwestern begraben sein?«, fragte sie ungläubig.
    Das Grab vor ihr war höher aufgeschüttet als die übrigen, die Erde locker und im Gras verstreut, als sei es ganz frisch. Oder erst kürzlich wieder aufgegraben? Ich hatte keine Ahnung, ob dort das Geheimnis lag oder nicht, aber etwas anderes wusste ich jetzt sicher: Meine Visionen waren viel mehr als reine Fantastereien.
    »Weiß ich nicht«, sagte ich. Wer auch immer ich in meiner Vision gewesen sein mochte   – Dante oder sonst wer   –, auf den Grund des Grabes hatte er es nie geschafft.
    »Du weißt es echt nicht«, murmelte Clementine und musterte mich, bevor sie den Mädchen befahl zu graben.
    Ich wollte flüchten, überall sein, nur nicht hier. Die Grabsteine, die Schaufeln, die Mädchen, die sich Erde über die Schultern schleuderten, das alles machte mich schwindelig. Was hatte Dante mir sagen wollen? War er vorher schon hier gewesen oder drehte ich völlig am Rad?
    Aber ich konnte hier nicht weg. Clementine hatte ihn erspürt. Das merkte ich an der Art, wie ihre Augen immer wieder zu den Bäumen wanderten, wie auf der Suche nachihm. Wenn ich ging, würde sie ihm vielleicht folgen und ihn finden. Also blieb ich. Und während die Erde an mir vorbeiflog und das Loch immer breiter und tiefer wurde, nahm ich mir innerlich immer wieder das ganze Friedhofsgelände vor, bis ich erleichtert aufseufzen konnte. Ich fühlte Dante nirgendwo.

Achtes Kapitel

Das Liberum
     
     
    D er Winter hielt zwei Monate zu früh Einzug in Montreal oder vielleicht sollte ich sagen, zwei Monate zu früh in mir. Ende Oktober hatte ich mich gerade dazu durchgerungen, meinen Wintermantel hervorzukramen, als die Schule schon begann, uns jeden Morgen ein Bündel Holz für die Kanonenöfen vor die Zimmertür zu legen. Aber so nah ich auch ans Feuer rücken mochte, die kalte Leere in mir wollte nicht weichen.
    Und so beschloss ich, mich mit ihr zu arrangieren, und machte mich auf in die frostige Luft Kanadas, bis ich mich an der Stadtgrenze wiederfand. Hier spazierte ich am Wasser entlang, wo ich fast fühlen konnte, wie Dante mich von der anderen Seite des Flusses aus beobachtete. Fast jeden Abend wanderte ich den Stadtrand von Montreal ab und wartete darauf, dass er zu mir kam.
    Das gegenüberliegende Ufer war von leer stehenden Getreidesilos gesäumt, einsame braune Zylinder, die sich hinter dem Wasser erhoben. Von einem bestimmten Punkt des Hafens aus konnte man über den Fluss rufen und das Echo der eigenen Stimme von den Silos zurückprallen hören. BeiEinbruch der Dunkelheit, als alle nach Hause gegangen waren, trat ich vor bis ans Wasser und lehnte mich gegen das Geländer.
    Die eingeritzten Botschaften im Metall zeigten Initialen von Liebenden, Herzchen. Als der Wind sich legte, stellte ich meine Frage.
    »Hast du gelogen?« Die Worte zitterten.
    Als sie zurückkamen, hallte meine Stimme

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