Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
Vom Netzwerk:
gewählt.«
    »Es kann aber auch
Freiheit
bedeuten«, schnitt meine Stimme durchs Zimmer. Ich spürte ein Augenpaar auf mir, hob das Kinn und traf Noahs Blick. Er benutzte sein Ohr als Bleistifthalter. Clementine beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas zu.
    Monsieur Orneaux überging mich geflissentlich. Er wiederholte: »Es kann aber auch
Freiheit
bedeuten.«
    »Wer sind sie?«, fragte Noah.
    »Eine Bruderschaft der Untoten«, sagte der Lehrer und setzte sich wieder. »Eine geheime Bruderschaft. Obwohl wir von ihrer Existenz wissen   – wir haben den Namen in mehreren ihrer ehemaligen Versammlungsorte an die Wände gekritzelt vorgefunden   –, hat kein Wächter jemals einen von ihnen erwischt.«
    Eine Bruderschaft, dachte ich. Eine Bruderschaft gegen eine Schwesternschaft.
    »Wie das?«, forschte Clementine.
    »Sie sind namenlos. Gesichtslos. Gefährlich«, sagte Monsieur Orneaux mit getragener Miene. »Und wild entschlossen. In größerem Maße, als man sich das vorstellen kann.«
    Einige Schüler begannen, auf ihren Sitzen herumzurutschen. »Was?«, hörte ich jemanden murmeln.
    »Jeder Untote kann wahllos Seelen nehmen, um seinenTod ein wenig hinauszuzögern«, erklärte der Lehrer. »Aber die Bruderschaft hat es auf die Spitze getrieben. Wir glauben, dass sie schon genug Seelen geraubt haben, um ihre natürliche Existenzspanne von einundzwanzig Jahren deutlich zu erweitern. Dass sie sogar über Jahrhunderte hinweg überlebt haben. Sie töten, um zu leben. Das Ergebnis ist, dass sie bloße Hüllen sind, menschlich nur noch vom Aussehen her.«
    »Wie viele gibt es?«, fragte Clementine.
    »Wir glauben, dass es neun sind.«
    Genau wie die Schwestern, dachte ich.
    »Aber sie sind nicht sesshaft«, erklärte Monsieur Orneaux. »Wir wissen nicht, wo sie sind. Wir wissen nicht, wer sie sind. Doch was sie wollen, das wissen wir.«
    »Und das wäre?«, fragte Noah.
    Bei seiner Antwort richtete Monsieur Orneaux den Blick auf mich. »Freiheit. Sie wollen wieder menschlich sein. Sie wollen ihre Seelen zurück. Nicht nur vorübergehend, sondern für immer. Sie wollen die Unsterblichkeit und sie werden alles tun, um sie zu erlangen. Deshalb haben sie Les Neuf Sœurs ermordet. Um an ihr Geheimnis zu kommen.«
    »Bitte?«, rief ich. »Aber warum sollten sie jemanden umbringen, wenn sie Informationen wollten?«
    »Bei jeder der acht Schwestern, die man tot auffand, war der Mund mit Mull ausgestopft.«
    In der Klasse erhob sich ein Raunen. »Mull?«, hörte ich jemanden fragen. »Wieso Mull?«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte ich. Meine Eltern waren so gestorben und Miss LaBarge. »Ist es nicht eine ganz normale Praktik von Wächtern, sich zum Schutz vor dem Kuss des Untoten Mull in den Mund zu stopfen?«
    Im Klassenzimmer konnte man jetzt eine Stecknadel fallen hören. Alle starrten mich an.
    »Nein«, sagte Monsieur Orneaux. »Hierbei handelt es sich um eine Foltermethode, die einige wenige Untote für ihre Opfer reserviert haben.«
    »Folter?«, hauchte ich. »Was meinen Sie damit?«
    »Es funktioniert wie ein simpler Knebel, besonders grausam, weil es sich der Waffe des Opfers bedient. Das Liberum hat die Schwestern nicht gleich getötet, sie haben sie vorher gefoltert. Die Autopsieberichte deuteten genauso darauf hin wie die Beschreibungen vom Tatort. Jede der Schwestern hat unendliche Qualen erlitten, bevor sie endlich sterben durfte.«
    »Was?« Die Stimme war so leise, dass ich sie kaum als meine erkannte. »Aber mein Großvater hat gesagt   –«
    Monsieur Orneaux’ Blick flackerte gereizt. »Er hat sich getäuscht.« Damit griff er sich seine Notizen und setzte seinen Vortrag fort.
    Draußen auf dem Fensterbrett plusterte ein Taubenpärchen sein Federkleid und flatterte hinab zum Brunnen. Ich sah ihnen beim Planschen zu. Sowohl meine Eltern als auch Miss LaBarge hatte man mit Mull im Mund aufgefunden. Hieß das, dass sie gar nicht bei einem gewöhnlichen Wächter-Arbeitsunfall umgekommen, sondern erst gefoltert und dann ermordet worden waren?
    Das Läuten der Glocke beendete die Unterrichtsstunde.
    Ich blieb zurück, in Gedanken versunken, als schon alle aus dem Zimmer strömten. In dem Brief aus Miss LaBarges Häuschen hatte meine Mutter geschrieben, dass sie einen Hinweis auf das verschwundene Mädchen gefunden habe.
Verschwundenes Mädchen.
Mein Großvater hatte das füreinen codierten Ausdruck für einen Untoten gehalten, doch je länger ich darüber nachdachte, desto eher glaubte ich, dass

Weitere Kostenlose Bücher