Dead Cat Bounce
aufragenden Decke, dann nach unten zu der modernen Kunst an den Wänden und schließlich quer durch die Lobby zu dem Aquarium mit den Haien. Jenseits der Drehtüren mochte Chaos herrschen, doch Hellcat selbst hatte sich nicht verändert. Die Bank war so unbesiegbar wie immer.
Jonah musste schmunzeln. Genau wie der Baron, dachte er. Er lehnte sich zurück, griff in die Innentasche seines Jacketts und zog einen verknitterten alten Brief heraus, den Brief des Barons, der damals, als er in sein Internat zurückgekehrt war, schon auf ihn gewartet hatte.
Als Jonah die Frau bemerkte, die die Rolltreppe vom Handelssaal herunterkam, steckte er den Brief wieder weg. Er beobachtete, wie sie in Begleitung eines finster dreinblickenden Mannes und eines Sicherheitsbeamten – dieser stand hinter ihr und hielt einen schwarzen Müllsack in der Hand – nach unten schwebte, ohne auch nur ein einziges Wort mit den beiden Männern zu wechseln. Auch die Rezeptionistinnen verstummten schlagartig, als die kleine Gruppe an ihnen vorbeiging. Das einzige Geräusch in der Lobby waren die Schritte auf dem Marmorfußboden. Jonah starrte fasziniert zu ihnen hinüber. Als das Trio die Drehtür erreicht hatte, blieb die Frau stehen und wandte sich an den Mann, der nun sehr niedergeschlagen wirkte. Als sie die Hand ausstreckte, nahm er den Sicherheitsausweis ab, der um seinen Hals hing, und gab ihn ihr. Der Sicherheitsbeamte drückte dem Mann den schwarzen Abfallsack in die Hand. Es herrschte immer noch Stille. »Ich hoffe, es läuft gut für Sie«, sagte sie schließlich.
»Ja, klar«, erwiderte der Mann. Dann ging er mit dem Müllsack in der Hand durch die Drehtür.
Jonah sah gerade interessiert zu, wie der Sicherheitsbeamte und die Frau wieder zur Rolltreppe gingen, als Sophie auf ihn zukam. Sie ist wirklich sehr hübsch, dachte er, während er aufstand. Das Mädchen hielt kurz vor ihm an und gab ihm einen Sicherheitsausweis. »Der Ausweis ist bis zum 8. Dezember gültig, drei Monate von heute an.«
»Großartig. Vielen Dank.« Als Jonah den Ausweis in die Tasche steckte, hatte er fast schon wieder vergessen, was sich gerade ereignet hatte, denn er war so aufgeregt, dass sein Puls in die Höhe schoss.
Falls Sophie seine Nervosität bemerkte, behielt sie das für sich. »Der Baron hat gesagt, dass Sie direkt hochgehen sollen«, sagte sie lediglich.
»Ich kenne den Weg«, erwiderte Jonah.
16
Jonah zog den Sicherheitsausweis über den Scanner und sah zu, wie die Doppeltür sich öffnete. Ein Zittern lief durch seinen Körper. Er schüttelte heftig den Kopf, als würde er versuchen, richtig wach zu werden, während sein Blick durch den Raum vor ihm wanderte. Der Saal war kleiner, als er ihn in Erinnerung hatte, und um einiges ruhiger. Viele der Schreibtische waren leer, die zugehörigen Stühle ohne Jackett, Opfer der Finanzkrise. Trotz des Eindrucks, den er in der Lobby gehabt hatte, spürte Jonah, dass die Armee vor ihm nicht mehr kämpfte. Die Truppen waren auf dem Rückzug, sie duckten sich in den Schützengraben, warteten auf das nächste Bombardement mit Neuigkeiten, das den Markt erneut lähmen würde. Hier wurde nur noch versucht, lebend aus der Sache herauszukommen, jeden Tag nach Hause zu kommen und noch einen Job zu haben.
Zumindest sah es außerhalb des Bunkers so aus. Nach einem schnellen Blick in Richtung seines (immer noch krawattenlosen) Vaters – ihm fiel auf, dass die Neandertaler nicht mehr da waren – ging Jonah zum Bunker, aus dem ihm hektische Aktivität entgegenschlug. Hier war der Widerstand! Das Lego-Schloss und die Flugzeuge waren noch da, genau wie das Aquarium ohne Fische, über dem jetzt aber etliche Müllsäcke aus Plastik hingen, schlaff und schwarz, eine Karikatur der Strümpfe, die man an Weihnachten am Kamin befestigte.
»Achtung! Achtung! Hier kooooomt iPod«, brüllte der Baron, als er ihn sah. »Und er muss dringend zum Friseur!«
Um den Schreibtisch des Barons herum tauchten ruckartig Köpfe auf, was aussah, als würden Erdmännchen in der Wüste aus ihren Löchern spähen. Und genauso schnell gingen die Köpfe dann wieder nach unten, zurück zur Arbeit. Jonah war sich nicht ganz sicher, doch er hatte den Eindruck, dass Dog und die anderen vielleicht gar nicht so glücklich darüber waren, ihn hier zu sehen, obwohl ihre letzte Begegnung ausgesprochen positiv gewesen war.
»Hallo, Kleiner. Ich bin froh, dass, du kommen konntest.« Der Baron gab ihm die Hand. »Die Sommerferien scheinen dir gut
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