Dead Cat Bounce
seines Vaters konnte er erkennen, dass seine Worte ihn schwer getroffen hatten. Doch jetzt, wo er einmal angefangen hatte, konnte er nicht mehr aufhören. Er beschloss, das Messer in der Wunde umzudrehen. »Du bist eifersüchtig, stimmt’s? Er ist besser als du. Und deshalb hasst du ihn.«
»Eifersüchtig? Worauf soll ich denn eifersüchtig sein?«, fragte David aufgebracht zurück.
Jonah fragte sich kurz, ob er nicht zu weit ging, trotzdem machte er weiter. »Einhundertdreißig Millionen Dollar an einem Tag?«, stieß Jonah hervor.
»Was bildest du dir ein? Ich habe dir doch gesagt, dass niemand solche Summen in so kurzer Zeit verdient, ohne sehr viel Glück zu haben oder zu betrügen. So viel Glück hat niemand. Irgendwann reißt er uns noch alle mit sich ins Verderben –«
Jonah wartete nicht, bis sein Vater den Satz beendet hatte. »Ist er der Grund dafür, warum du Biff genannt wirst? Hat er dich zu einem Kampf herausgefordert? Hattest du Angst, dich zu wehren?«
Sein Vater antwortete ruhiger, als Jonah das erwartet hatte. »Ja, Jonah. Dieser idiotische Spitzname ist von ihm. Und ja, er hat ihn mir gegeben, weil ich mich geweigert habe, gegen ihn zu kämpfen. Und nein, ich hatte keine Angst.«
»Was war es dann? Hast du gewusst, dass du verlieren würdest?«
»Nein.« David bemühte sich, nicht wieder die Beherrschung zu verlieren. »Ich habe nicht gegen ihn gekämpft, weil ich nicht kämpfe.«
»Was soll das denn heißen?«
»Ich kämpfe nicht«, wiederholte David, während er die Arme vor der Brust verschränkte. »So einfach ist das.«
»Warum nicht?«, wollte Jonah wissen.
»Das ist zu kompliziert, um es dir zu erklären.«
»Warum ist alles zu kompliziert, um es mir zu erklären?«, beschwor ihn Jonah. Ohne die Antwort seines Vaters abzuwarten, fügte er noch hinzu: »Vergiss es. Ich hab’s schon verstanden. Ich weiß, warum du den Baron hasst, warum du und Mom geschieden seid, warum Mom nicht mehr mit dir reden will.« Er sah seinen Vater durchdringend an. »Weil du ein Weichei und ein Feigling und ein Tyrann bist.«
David sah ihn ratlos an. »Darum geht es doch gar nicht, Jonah. Du hast das alles missverstanden. Es gibt vieles, das du nicht verstehst, über mich, deine Mom, meine Zeit in Afrika, den Baron …« Seine Stimme verlor sich.
»Aber du wirst mir nichts darüber erzählen, stimmt’s?«, erwiderte Jonah. »Von mir aus. Gut, dass ich bald wieder ins Internat gehe. Hier gefällt es mir sowieso nicht mehr.« Er rannte nach oben in sein Zimmer, wo er die Tür hinter sich zuknallte und sich auf sein Bett fallen ließ.
14
Das Buch aus dem Päckchen des Barons hatte Jonah nach vierundzwanzig Stunden ausgelesen. Nachdem ihm sein Vater das Original weggenommen hatte, war er am Samstagnachmittag einfach in ein Geschäft gegangen und hatte sich ein neues Exemplar gekauft. Am Samstag las er bis spät in die Nacht, dann den ganzen Sonntag lang, wobei er das Buch stets vor seinem Vater versteckt hielt. Er legte es nur ein einziges Mal aus der Hand: als er darüber nachzudenken begann, wie sehr sich doch der Mann, der ihn in die Welt gesetzt hatte, ein mürrischer, distanzierter Mensch, der ein Weichei und ein Feigling war, von dem Mann unterschied, der ihm dieses Buch geschenkt hatte, zu ihm gesagt hatte, er habe »Talent«, Musik auf seinen iPod kopiert hatte und ihm zehntausend Pfund geschickt hatte. Der Junge kam zu dem Schluss, dass der Baron der Mann war, der ihm das Leben geschenkt hatte.
Als Jonah die letzte Seite des Buches zu Ende gelesen hatte, verfasste er eine E-Mail an den Baron. Er schrieb ihm, was sein Vater getan hatte. Er teilte ihm mit, dass er für ihn arbeiten wollte, und bat ihn, mit den zehntausend Pfund ein Online-Trader-Konto für ihn einzurichten.
Es war an der Zeit, dass er sich ein für alle Mal zum Überflieger erklärte.
Der Baron antwortete fast sofort von seinem Blackberry aus. Seine Nachricht bestand nur aus einem Wort in Großbuchstaben: »ERLEDIGT«.
Am Montag bekam Jonah noch eine E-Mail vom Baron. Darin standen die Details des Trader-Kontos, der Benutzername und das Passwort. Das Konto lief auf den Namen des Barons – auf diese Art würde niemand mitbekommen, dass ein Jugendlicher die Transaktionen durchführte –, aber es würde erst aktiviert werden, wenn Jonah das entsprechende Training absolviert hatte. Der Baron fragte Jonah nach der Adresse des Internats, weil er dem Jungen noch mehr Bücher und einen neuen iPod schicken wollte. Jonah gab sie
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