Dead Cat Bounce
genau deshalb funktioniert unsere Branche auch: weil wir das schaffen, was anderen nicht gelingt.« Sie brach ab und sah Jonah tief in die Augen, um sich zu vergewissern, dass er verstand, was sie sagte. »Pass gut darauf auf.«
»Wow!«, rief Jonah, der nun jeden Versuch aufgab, sich so cool wie möglich zu benehmen.
»›Wow‹ ist genau der richtige Ausdruck dafür, Schätzchen.«
In der Zwischenzeit hatte Creedence die Sachen wieder in den Aktenkoffer gelegt. »Den Koffer bekommst du auch«, informierte sie ihn. »Er hat ein Geheimfach, in dem du vertrauliche Informationen verstecken kannst, einen Fingerabdruck-Sensor zum Verriegeln, den du noch aktivieren musst, und ein eingebautes, solarbetriebenes Telefon sowie ein Laptop-Ladegerät.« Sie schob ihm den Koffer zu. »Zufrieden?«, fragte sie.
»Zufrieden?«, rief Jonah aus. »Ich komme mir vor wie James Bond. Bekommt jeder bei der Bank so einen Koffer?«
»Oh nein. Das hier bekommen nur die erfolgreichsten Händler, die Herrscher des Universums«, erklärte Amelia, was Jonah veranlasste, seinen Blick von dem Koffer loszureißen. »Du arbeitest für den erfolgreichsten Händler der Bank, Schätzchen, und deshalb bekommst du das alles. Aber erzähl es nicht weiter.« Sie legte einen Finger auf die Lippen. »Wir wollen diesen armen Versagern doch nicht unnötig Angst machen.«
Jonah schoss ein Gedanke durch den Kopf. »Hat mein Dad auch so was?«, fragte er.
Mit einer theatralischen Geste legte Amelia die Hand an die Stirn, verzog das Gesicht und tat so, als würde sie in Ohnmacht fallen.
Jonah lachte. »Das soll wohl ›Nein‹ heißen.«
»Richtig«, bestätigte Amelia, die sich wieder erholt hatte. »Was mich an deinen iPod erinnert. Die Quelle der Musiksammlung befindet sich ebenfalls in diesem Raum.« Amelia stand auf und ging zu einem Stahlschrank, den Jonah bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte. Als sie ihren Sicherheitsausweis über einen Scanner an der rechten Seite zog, schob sich der vordere Teil des Schranks zur Seite, sodass hinter einer Glastür acht übereinandergestapelte schwarze Kästen zu sehen waren, die jeweils die Größe eines Aktenkoffers hatten. Ihre Finger strichen liebevoll über die Tür. »Die Server des Barons«, seufzte sie. »Ich bewahre sie für ihn auf.«
»Wie bitte?«, fragte Jonah.
Amelia lächelte lediglich und redete weiter. »Auf den Servern befindet sich unter anderem die komplette Musiksammlung des Barons. Auf deinem neuen Laptop ist eine Datenbank installiert. Wenn du etwas Neues auf deinem iPod haben willst, suchst du dir einfach die Songs aus, die dir gefallen, und bringst den Laptop und den iPod zu mir. Den Rest erledige ich. Aber das kann nur ich. Außer mir hat niemand Zugriff auf die Server.«
»Ich verstehe«, antwortete Jonah. »Gut. Ja. Danke. Nur so aus Interesse: wie viele Songs sind da drauf?«
»Oh, Tausende. Zehntausende. Ich habe keine Ahnung. Die Titel werden automatisch heruntergeladen. Ich glaube nicht, dass er sich das alles anhört, aber was soll’s. Es ist so etwas wie ein Hobby und mit Geld lässt sich ein solches Hobby natürlich finanzieren, egal, was es kostet.« Sie zog ihren Ausweis erneut über den Scanner. Als sich der vordere Teil wieder schloss, sah sie auf die Uhr. »9.52 Uhr. Jonah, du musst weiter.«
Jonah und Creedence standen auf. Das Mädchen gab ihm mit der einen Hand den Koffer und mit der anderen eine Visitenkarte. »Wenn du noch etwas brauchst – eine Reise, Eintrittskarten fürs Theater, eine Sportveranstaltung oder ein Konzert, eine Limousine mit Chauffeur, eine Tischreservierung in einem Restaurant, egal, was –, ruf mich an, unter dieser Nummer, Tag und Nacht.« Ihr vielsagender Blick ließ darauf schließen, dass Jonah unter der Nummer noch einiges mehr als die gerade erwähnten Serviceleistungen bekommen konnte.
»Danke. Danke für deine Hilfe«, erwiderte er, während er sich fragte, ob er nicht vielleicht zu viel in etwas hineininterpretierte, was letzten Endes nur nett gemeint war.
»Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder«, war ihre Antwort. Jonah spürte, wie er rot wurde.
Er musste einen Grund finden, um sie anzurufen.
Nachdem er das Boudoir verlassen hatte – sein Herz klopfte immer noch wie wild wegen der Begegnung mit Creedence –, nahm Jonah den Fahrstuhl und fuhr fünf Stockwerke nach oben zu seinem Termin mit Harry Solomons (oder Pistol, wie der Baron ihn genannt hatte) aus der Rechtsabteilung. Er musste zehn Minuten warten, bis eine
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