Dead Cat Bounce
als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte.
Er sah sie an. »Mein Bauchgefühl sagt Dad.«
»Dad wie ›er hat es getan‹ oder Dad wie ›er hat es nicht getan‹?«
»Es sagt, dass ich zu ihm halten soll. Weil er« – Jonah konnte nicht glauben, dass er das sagte – »mein Dad ist.«
»›Unlösbare Ketten, die er selbst dann nicht zu sprengen vermag, wenn er könnte, denn die Natur hat ihn schon vor seiner Geburt in Fesseln gelegt‹«, sagte Creedence leise.
»Wie bitte?«
»Das hat Pearl S. Buck mal geschrieben. Es bedeutet, Blut ist dicker als Wasser«, erklärte sie. Das Mädchen sah etwas verlegen aus und kehrte sofort zu der Frage zurück, ob Jonah seinem Dad glaubte. »Und was wirst du jetzt tun? Du wirst zu ihm halten?«
»Ja, ich, ähm …«, stotterte Jonah. »Ich weiß nicht.«
»Du weißt es nicht? Aber du hast doch gesagt –«
»Der Baron war immer für mich da. Die ganze Zeit.« Die Worte sprudelten nur so aus dem Jungen heraus. »Ich bin noch nicht restlos davon überzeugt, dass er hinter der Sache steckt.« Er zögerte. »Er und mein Dad könnten doch beide unschuldig sein, oder nicht?« Und dann beantwortete er seine Frage selbst, indem er hinzufügte: »Ich brauche noch mehr Fakten.«
»Vielleicht hat dein Dad ja doch Beweise. Willst du ihn nicht noch mal anrufen?«, drängte das Mädchen. Aber dann hob sie abwehrend die Hand, als hätte sie es sich anders überlegt. »Nein. Nicht, solange ich hier bin.«
»Was meinst du damit?« Jonah starrte sie verwundert an.
»Ich sollte jetzt gehen«, sagte sie. »Das, was du und dein Vater miteinander besprecht oder vorhabt, darf ich nicht erfahren, für den Fall, dass Amelia mich danach fragt. Wenn ich nichts weiß, kann ich ihr auch nichts sagen.«
Jonah dachte scharf nach. Er wollte sie nicht gehen lassen, nicht einmal für einen Moment. Andererseits wollte er aber auch nicht riskieren, Scrotycz noch einmal über den Weg zu laufen. Er sah Creedence lange an und prägte sich jedes Detail ihres Gesichts ein. Wenn sie blieb, wurde sie vielleicht in diese Sache hineingezogen. Oder es geschah noch Schlimmeres. Wie sein Vater gesagt hatte – für solche Summen wurden Leute umgebracht.
Sie hatte recht. »Was willst du Amelia erzählen, wenn sie anruft?«
»Ich werde ihr sagen, was im Park passiert ist und dass du jetzt Schiss hast und dich nicht noch mal mit deinem Vater treffen willst.«
Jonah nickte. »Und wenn sie wissen will, über was Dad und ich gesprochen haben?«
Creedence überlegte einen Moment. »Ich werde ihr sagen, dass du überhaupt keine Gelegenheit hattest, mit ihm zu reden, weil Scrotycz aufgetaucht ist. Und hinterher bist du weggerannt, so schnell es ging.«
Jonah nickte wieder. »Klingt gut.«
»Ich gehe nicht wieder in meine Wohnung«, fuhr sie fort. »Heute Abend treffe ich mich mit einer Freundin zum Essen. Ich übernachte bei ihr, und wenn es sein muss, bleibe ich ein paar Tage bei ihr. Du kannst meine Wohnung haben, bis sich diese Sache aufgeklärt hat.« Sie griff in die Tasche und gab ihm einen Schlüssel. »Leg ihn unter den Blumentopf neben der Haustür, wenn du die Wohnung verlässt.«
Ohne ein Wort nahm er ihr den Schlüssel ab. »Willst du das wirklich für mich tun?«
Die Augen des Mädchens funkelten. »Ruf mich an, wenn du glaubst, dass die Luft rein ist«, bat sie.
Jonah lächelte schwach. »Darauf kannst du wetten.« Er versuchte, stark zu klingen.
Creedence umarmte ihn und gab ihm einen langen, zärtlichen Abschiedskuss.
Als sie sich von ihm löste, verzogen sich ihre Lippen zu einem dieser traurigen Lächeln mit geschlossenem Mund. Sie machte einen Schritt nach hinten, um ihren Fahrradhelm aufzusetzen, und Jonah spürte, wie eine Woge der Einsamkeit über ihn hereinbrach. Er verlor seine einzige Verbündete. »Kann ich dich anrufen?«, fragte er.
»Aber natürlich«, erwiderte sie, ohne zu zögern. »Gilt die Einladung zum Essen noch, wenn das alles hier vorbei ist?«
»Den möchte ich sehen, der mich daran hindert.«
Creedence zog die Augenbrauen hoch. Das hatte zu viel mit dem zu tun, was gerade passierte, um Witze darüber zu machen.
Jonah versuchte, den Moment zu retten. »Wir gehen ins Jake’s Kitchen in Covent Garden.« Jake’s Kitchen war zurzeit das angesagteste Restaurant der Stadt. Er hatte in der Zeitung darüber gelesen, bevor der ganze Rummel begonnen hatte.
»Da kommst du jetzt aber nicht mehr raus.« Creedence drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Im Jake’s Kitchen war
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