Dead Cat Bounce
ausrichten kann. Und dann komme ich zu dir und erzähl dir alles.«
Einen Moment lang war es still in der Leitung. Als Creedence wieder etwas sagte, hörte es sich so an, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Ich glaube, ich bin schuld daran, dass diese Russen euch gefunden haben«, gestand sie schluchzend.
»Was meinst du damit?«, fragte Jonah. »Er hat gesagt, er wüsste, wo wir wohnen. Vermutlich hat er meinen Dad beschatten lassen. Creedence, ich muss von hier weg und zum Polizeirevier. Wir sehen uns dann bei dir in der Wohnung.«
»Nein, wir treffen uns vor dem Polizeirevier.« Sie beendete das Gespräch, ohne seine Antwort abzuwarten.
Jonah startete die Vespa und verließ eilig den Park, wobei er die ganze Zeit nach einem Audi Q7 Ausschau hielt. Das Polizeirevier erreichte er vor Creedence, doch er musste nur zwei Minuten warten, bis sie auf ihrem Mountainbike angerast kam.
Das Mädchen sah völlig verängstigt aus. »Ich habe Amelia gesagt, wo du dich mit deinem Dad treffen wirst«, stammelte sie sofort, ohne ihn zu begrüßen. »Ich habe ihr gestern erzählt, dass ich mit dir verabredet bin, und heute Morgen hat sie bei mir angerufen und gefragt, wie es dir geht und ob du deinen Dad gesehen oder mit ihm geredet hast. Nach gestern Abend war ich so aufgekratzt, da hab ich ihr gesagt, dass wir uns richtig gut verstehen und du mir anvertraut hast, wie sehr du deinen Dad hasst, und ich deshalb bezweifeln würde, dass du in der Sache mit drinsteckst. Und dann ist mir rausgerutscht, dass du dich heute um halb eins mit ihm triffst. Sie hat gefragt, wo, und das habe ich ihr dann auch noch gesagt.«
Jonah erinnerte sich daran, dass der Q7 den Abhang am Parkplatz heruntergefahren war, während sein Dad aber aus der entgegengesetzten Richtung gekommen war. Wenn sein Vater beschattet worden wäre, wäre der Wagen aus der gleichen Richtung wie dieser aufgetaucht und nicht hinter Jonah.
»Jonah, es tut mir leid. Es tut mir so leid. Ich dachte, ich würde dir helfen. Bitte verzeih mir.« Eine Träne rollte ihr über die Wange und fing das Sonnenlicht ein.
Jonah konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und sah einfach zu, wie die Träne nach unten lief. Wieder hatte er den Eindruck, dass alles außer Kontrolle geriet.
»Amelia ist ein Miststück. Es tut mir so leid, Jonah. Ich verspreche, dass ich ihr nichts mehr sagen werde. Das ändert alles«, flehte Creedence.
Als Jonah die Bemerkung über Amelia hörte, stutzte er. »Was meinst du mit ›Amelia ist ein Miststück‹? Ich fand sie eigentlich sehr nett.« Er musste daran denken, wie der Baron gesagt hatte, man solle es sich besser nicht mit ihr verderben. Als sie Jonah die violette Türöffner-Karte und die anderen Sachen gegeben hatte, war sie allerdings die Liebenswürdigkeit in Person gewesen.
»Oh, zu dir und dem Baron und den anderen reichen Händlern ist sie nett. Aber wenn sie der Meinung ist, dass du ihr nicht nützlich sein kannst, bist du Luft für sie. Du solltest sie mal in Restaurants sehen oder in einem Geschäft – sie ist manchmal richtig unverschämt. Und wenn sie aus irgendeinem Grund sauer auf dich ist, kannst du es ganz vergessen. Ich habe schon Leute in Tränen ausbrechen sehen, nachdem Amelia sie einen Kopf kürzer gemacht hat.«
»Dann würdest du es ihr also zutrauen, dass sie einem Kunden der Bank verrät, wo er mich und meinen Dad finden kann, damit er uns zusammenschlagen kann?«
»Durchaus. Amelia ist sich selbst die Nächste, außerdem sagt sie immer, ›die Kunden zahlen unsere Boni‹.«
Jonah kniff die Augen zusammen. »Was für ein Verhältnis hat sie zum Baron?«
»Die beiden halten zusammen wie Pech und Schwefel. Offenbar hat er ihr den Job bei der Bank besorgt. Warum? Worauf willst du hinaus?« Jetzt war es Creedence, die verwirrt aussah.
»Auf gar nichts. Jedenfalls noch nicht jetzt«, erwiderte Jonah. »Ich versuche lediglich, die Fakten zu verstehen. Offenbar hat Dad schon einmal einen Riesenverlust gemacht und jetzt denkt er, dass der Baron das ausnutzt, um ihn reinzulegen. Du glaubst, dass Amelia Scrotycz in den Richmond Park geschickt hat, und jetzt erzählst du mir, dass Amelia und der Baron dicke Freunde sind. Und ich glaube einfach nicht, dass mein Vater so dumm wäre, denselben Fehler zweimal zu machen oder eine halbe Milliarde Verlust anzuhäufen …« Volltreffer! Jonah wurde klar, dass er seinem Vater noch eine einfache Frage stellen musste.
»Was ist denn, Jonah?«, erkundigte sich Creedence.
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