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Dead Cat Bounce

Dead Cat Bounce

Titel: Dead Cat Bounce Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nic Bennett
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Vergangenheit erzählen sollen. Ich hoffe, dass du dann verstehst, warum ich es nicht getan habe. Besser gesagt, warum ich es nicht konnte.«
    Plötzlich schien sich die Atmosphäre im Wagen verändert zu haben. Die Dunkelheit um sie herum hüllte sie ein, schottete sie von der Außenwelt ab. In der Stimme seines Vaters lag etwas Großes, etwas, das von Jonah Besitz ergreifen wollte. Er spürte, wie er eine Gänsehaut bekam.
    David schluckte. »Du weißt, dass ich in Afrika aufgewachsen bin«, begann er.
    Jonah nickte. So viel wusste er. Doch ansonsten waren Kindheit und Jugend seines Vaters eine Art Rätsel. David hatte nie darüber sprechen wollen. Und – wie Jonah zugeben musste – er hatte ihn nie danach gefragt.
    »Ich wurde in Rhodesien geboren, das heutige Simbabwe. Mein Vater war Tabakfarmer und unser ganzes Leben spielte sich draußen in der Natur ab.« Davids Augen leuchteten. »Als ich zehn war, konnte ich schießen und ein Kaninchen häuten. Ein ordentliches Feuer für das Barbecue habe ich schon mit acht zustande bekommen.«
    Jonah war mucksmäuschenstill. Zum ersten Mal in seinem Leben wurde ihm bewusst, dass sein Vater auch einmal ein Kind gewesen war. In seinem Kopf entstand ein Bild von seinem Dad in Khaki-Shorts. Er hielt ein Gewehr in der Hand und lächelte. Links und rechts von ihm standen seine stolzen Eltern.
    »Aber die Zeiten wurden schwieriger. Rhodesien war eine britische Kolonie und zwischen den Weißen und den Schwarzen tobte ein Bürgerkrieg. Anfang der 1970er-Jahre, als die schwarzen Freiheitskämpfer sich organisierten, eskalierte die Lage. Ich ging von der Schule ab, um meinen achtzehnten Geburtstag und die Einberufung zur Armee abzuwarten.« David zögerte, als müsste er seine ganze Kraft aufbieten. »Dann wurden meine Eltern ermordet.«
    Das Bild in Jonahs Kopf explodierte. »Was!?«, rief er, während ihm der Schweiß im Nacken ausbrach. Er wusste, dass seine Großeltern noch vor seiner Geburt gestorben waren, doch er hatte immer angenommen, dass sie schon alt gewesen waren. Erst jetzt wurde ihm klar, dass sie bei ihrem Tod vermutlich jünger gewesen waren als sein Dad jetzt.
    »Ich habe dir doch erzählt, dass sie vor deiner Geburt gestorben sind.«
    »Ja. Aber …« Jonahs Handflächen waren feucht.
    »Die Details wollte ich dir ersparen. Du warst viel zu jung, um es zu verstehen.«
    »Wie? Warum? Wer?«, stammelte Jonah.
    »Sie wurden von Terrs getötet, von Terroristen – so haben wir die Freiheitskämpfer genannt. Und ich habe ihre Leichen gefunden.«
    Im Wagen war es plötzlich viel zu warm, die Schwere von Holz und Leder wirkte mit einem Mal beklemmend. Sein Dad sah ihn nicht mehr an, er starrte vor sich hin ins Leere. »Ich war in der Stadt gewesen. Es war Freitagabend und ich fuhr nach Hause, nach ein paar Bieren mit meinen Freunden. Die Flammen konnte ich schon von Weitem an dem dunklen Himmel sehen, und als ich durch das Tor fuhr, wurde mir klar, dass die Scheune brannte. Davor sah ich meinen toten Vater; er war erschossen und verstümmelt worden. Und meine Mutter lag direkt hinter ihm in ihrem Blut.«
    Jonah schnürte es die Kehle zu, als er sich die blutüberströmten Leichen seiner Großeltern vorstellte. Er musste schlucken und zuckte zusammen, weil die Galle, die ihm in den Mund gestiegen war, so bitter schmeckte. Sein Vater sah ihn wieder an. Jonah konnte keine Tränen in seinen Augen erkennen, doch er hatte das Gefühl, dass sein Dad sie mühsam zurückhielt. Er wollte etwas sagen, um seinen Vater zu trösten, obwohl das alles schon vor Jahrzehnten passiert war, doch ihm fiel nichts ein, was angemessen gewesen wäre. »Es tut mir leid« war es jedenfalls nicht.
    »Ich war so wütend, dass ich etwas töten wollte. Es verstümmeln. Es schreien hören. Es sterben sehen«, sagte David. Jetzt standen Schmerz und kalte Wut in seinen Augen. »Nach der Beerdigung habe ich mich den Selous Scouts angeschlossen, einer im Untergrund operierenden Anti-Terror-Einheit der rhodesischen Streitkräfte. Wir waren Guerillas. Wir gingen in ein bestimmtes Gebiet, genauso angezogen und bewaffnet wie die Terrs, und jagten sie, indem wir ihre Gruppen infiltrierten. Wir machten die Jäger zu Gejagten.«
    »Du warst bei einer Anti-Terror-Einheit?« Das war doch etwas, worauf man stolz sein konnte, etwas, das ein Vater seinem Sohn mit Sicherheit erzählen würde.
    »Ja. Ich war noch sehr jung, aber da ich Spuren lesen konnte und die Landessprache, Shona, beherrschte, haben sie mich

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