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Dead Cat Bounce

Dead Cat Bounce

Titel: Dead Cat Bounce Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nic Bennett
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trotzdem genommen. Bei den Scouts wurde ich dann an Waffen und in unbewaffnetem Nahkampf ausgebildet. Und ich habe Russisch gelernt.«
    »In Afrika?«
    »Ja. Die Russen haben einige der Terr-Gruppen finanziert, weil sie den Kommunismus dort verbreiten wollten. Als Weißer, der Russisch sprach, konnte ich als einer der Soldaten durchgehen, die sie zur Ausbildung der Terrs nach Simbabwe geschickt hatten.«
    Jonah war erschüttert. Er war so lange von seinem Vater enttäuscht worden, hatte nie verstanden, warum sein Dad so geworden war. Doch jetzt, wo er endlich alles erzählte, tat es Jonah unendlich leid, dass er so viel durchgemacht hatte.
    »An die Zeit bei den Scouts habe ich so gut wie keine Erinnerung mehr. Ich weiß nur noch, dass wir im Namen unseres Landes entsetzliche Dinge getan haben. Das muss ich alles verdrängt haben.« David holte tief Luft und rang um Fassung. »Ich kann mich nur noch an unseren letzten Einsatz erinnern. Erst da bin ich aufgewacht.«
    Jonah beugte sich vor.
    »Wir hatten Befehl erhalten, ein Dorf jenseits der Grenze zu Botswana zu überfallen. Es war ein Waffenlager, Gewehre, Raketen, alles Mögliche. Wir gingen als Erste rein. Man hatte uns gesagt, dass wir alles erschießen sollten, was sich bewegt, und auf einen Lastwagen der Streitkräfte aus Botswana warten sollten, der die Waffen abholen würde.«
    Alles, was sich bewegt? Jonah drehte sich der Magen um. Alles bedeutete Menschen. Sein Dad hatte Menschen getötet.
    »Wir wurden von einem Helikopter etwa zwanzig Kilometer von dem Dorf entfernt abgesetzt und marschierten in der Nacht dorthin. Es war immer noch dunkel, als wir die Hütten unter Beschuss nahmen – zuerst mit Granaten, dann mit Kugeln. Unser Befehl lautete, das Zielgebiet zu säubern. Niemand sollte lebend aus den Hütten kommen. Und genau das taten wir dann auch. Als die Schüsse verklungen waren, schaltete ich einen Scheinwerfer an und sah das Gemetzel, das wir angerichtet hatten.« David versagte die Stimme. Er stützte sich mit dem rechten Arm an der Autotür ab. »In einer Hütte lagen lauter tote Kinder. Es war überhaupt kein Terroristenlager. Wir hatten ein Waisenhaus oder eine Schule oder so etwas überfallen.«
    Jonah rang nach Atem. Er schlug die Hände vors Gesicht. Sein Vater hatte nicht nur getötet – er hatte Kinder umgebracht, Jungen und Mädchen, die jünger gewesen waren als er selbst.
    Jetzt hatte David feuchte Augen. »Ich dachte, es sei ein Irrtum gewesen. Doch dann kam der Lastwagen und die Soldaten betraten seelenruhig die Hütte. In einer Ecke lag eine Plane. Sie zogen sie zurück und dann sahen wir, was darunter lag: Stoßzähne von Elefanten. Wir waren nicht wegen Waffen gekommen. Es war kein Irrtum gewesen. Wir waren wegen Elfenbein gekommen. Und wir hatten Kinder dafür getötet.« Er begann zu zittern. »Das war das Ende für mich. Ich ging in den Busch. Ich desertierte einfach.«
    Dieses Mal bekam Jonah seinen Magen nicht unter Kontrolle. Seine Hand ging zur Tür und stieß sie auf, weil er sich unmöglich in einem Bentley übergeben konnte. Er beugte sich hinaus und erbrach sich auf den Betonboden. Was sein Vater ihm da erzählte, war schlimmer als alles, was er sich hätte vorstellen können. Er begann erneut zu würgen. Und dann noch einmal. Er atmete tief ein und aus, sog die kühle Luft in sich hinein, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Schließlich wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und setzte sich auf. Die Wagentür ließ er auf, damit Luft ins Innere des Bentleys kam und die Beleuchtung anblieb.
    »Alles okay?«, fragte David besorgt.
    Jonah, der sich am Türgriff abstützte, nickte.
    David holte tief Luft: »Als du geboren wurdest, brachte das die Erinnerung an diese Hütte zurück. Die kleinen Körper. Das Grauen. Das Blut«, fuhr er mit zitternder Stimme fort. »Jede Nacht bin ich schreiend aus Albträumen aufgewacht. Ich konnte dich nicht im Arm halten, konnte dich nicht füttern, und schließlich konnte ich es nicht mehr ertragen, dich zu sehen. Deine Mutter sagte ›die Dunkelheit‹ dazu und versuchte, mir zu helfen, doch ich wollte ihr nicht zuhören. Unsere Ehe zerbrach und nach der Scheidung erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, für den sie dann irgendwann auch noch dich verantwortlich machte. Deshalb ist sie in die Staaten gegangen. Ich hätte sie fast in den Selbstmord getrieben, sagte sie, und dass sie keinen von uns beiden je wiedersehen wolle.« David ließ den Kopf auf die Brust sinken.

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