Dead - Ein Alex-Cross-Roman
Fall.
Butanbrenner.
Ethanol.
Jetzt waren über fünf Stunden vergangen, es war fast schon Zeit für den großen Auftritt. Über ihm war das Stück bereits
in vollem Gang. Das Haus war gefüllt mit Theaterliebhabern, allesamt Freunde der Dramatik und der Hochspannung.
Matthew Jay Walker war gerade mitten in einer Szene, wo er irgendwie robotermäßig mit einem anderen Darsteller auf einem Monitor sprach. Walker war - natürlich - über die Maßen gut aussehend, ein Stückchen kleiner, als man eigentlich dachte, und im Großen und Ganzen ein verwöhntes Balg, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Sein Agent hatte frisches, exotisches Obst, einen Vorrat an Evian-Wasser sowie eine persönliche Make-up-Stylistin angefordert. Jetzt war es Zeit, dass Walker seinen Co-Star kennen lernte.
»Hallo, Matthew Jay! Sei gegrüßt«, sagte Dr. Swift. »Hier bin ich... hinter dir.«
Als die Luke im Bühnenboden, die eigentlich immer erst im zweiten Akt zum Einsatz kam, aufflog, drehte sich der Schauspieler verwundert, nein, geschockt , um.
»Was, zum...«
»Meine Damen und Herren, bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung«, sagte Dr. Xander Swift in einem lauten, klaren Befehlston, der auch ganz oben auf den billigen Plätzen gut zu verstehen war. »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten, Ihre absolute, ungeteilte Aufmerksamkeit? Hier geht es um Leben und Tod.«
27
Die erste erkennbare Reaktion des Publikums bestand darin, dass Dutzende Zuschauer in ihren Programmheften blätterten, um nachzuschauen, wer eigentlich auf der Bühne war.
Matthew Jay Walker wandte dem Publikum den Rücken zu und flüsterte: »Was soll denn das, verdammt noch mal? Wer, zum Teufel, sind Sie? Verschwinden Sie hier von der Bühne! Sofort!«
Plötzlich zückte Dr. Xander Swift eine Pistole und hielt sie auf den Schauspieler gerichtet, so dicht, dass sie fast dessen Gesicht berührte. Er ließ seine Hand zittern, als ob er nervös wäre - was gar nicht stimmte. »Pssst«, sagte er mit deutlich vernehmbarer Flüsterstimme. »Du hast doch jetzt gar keinen Text!«
Immer mehr bedrängte er den Schauspieler mit seiner Waffe, bis Walker sich schließlich auf die Knie sinken ließ. »Bitte«, drang Walkers Stimme aus den Lautsprechern. »Ich mache alles, was Sie wollen. Bitte beruhigen Sie sich.«
»Ruft die Polizei«, rief irgendjemand in der ersten Reihe. Allmählich kapierte das Publikum, was los war.
Der Killer wandte sich nun an die Zuschauer. »Ich bin Dr. Xander Swift vom Amt für Immunisierung und Überwachung. Ich muss Sie darüber in Kenntnis setzen, dass dieser Mann hier zur Vernichtung vorgesehen ist«, erläuterte er. »Ich bin darüber nicht weniger schockiert und bestürzt als Sie alle.«
»Er ist wahnsinnig! Er ist gar kein Schauspieler!«, schrie Matthew Jay Walker unvermittelt.
»Ich bin nicht wahnsinnig. Ich habe einen sehr vernünftigen Plan«, erwiderte Dr. Swift.
Während er mit einer Hand weiterhin die Pistole auf den Schauspieler gerichtet hielt, begann er, Walker mit Ethanol aus einem mit Aluminiumfolie überzogenen Beutel einzusprühen. Er verteilte das Ethanol auf der Brust des Schauspielers ebenso wie auf dessen welligem blondem Haar und schmierte ihm auch etwas davon unter das Kinn. Es verströmte einen so intensiven Geruch, dass Walker erstickt um Atem ringen musste. »Was machen Sie denn da? Bitte, hören Sie auf damit!«, rief er.
Das Publikum war mittlerweile aufgestanden. Von den Seiten riefen die Leute: »Haltet ihn auf! Jemand muss auf die Bühne! Wo sind die Wachleute?«
Da dröhnte Dr. Swifts Stimme erneut von der Bühne herab. »Jeder, der die Bühne betritt, wird auf der Stelle erschossen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Geduld. Und jetzt sehen Sie bitte genau hin! Dieser Anblick wird Sie für immer begleiten. Keiner der hier Anwesenden wird ihn jemals vergessen können, so wahr mir Gott helfe!«
Er entzündete den Gasbrenner. Das Ethanol fing Feuer und setzte Matthew Jay Walker von Kopf bis Fuß in Brand. Das Gesicht des Schauspielers schien einfach wegzuschmelzen, und er brüllte laut vor unsäglichem Schmerz. Dann fing er an, sich im Kreis zu drehen, versuchte, das Feuer zu löschen, das ihm die Haut versengte.
»Sie werden hier Zeugen des rasanten Zerfalls von menschlichem Fleisch«, erläuterte Dr. Xander Swift. »So etwas ist in vielen Kriegsgebieten Alltag. Im Irak, in Palästina, in anderen, ähnlich weit entfernten Gegenden. Routine. Nichts Besonderes, das kann ich Ihnen
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