Dead - Ein Alex-Cross-Roman
Hinrichtungen vor Publikum. Vielleicht sollten wir ihn ja den Publikum-Killer nennen. Das ist das, worum es ihm im Innersten geht.«
»Publikum-Killer? Steht das so im Diagnosehandbuch für psychisch Gestörte?« Sampsons Lächeln wirkte grimmig. Er verarbeitete solche Dinge mit Hilfe von schwarzem Humor, so wie viele andere Angehörige der Mordkommission auch, einschließlich meiner selbst.
Bree fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich bin voll und ganz eurer Meinung, aber...«
»Was aber?«
»Richter. Thor, der Tor, wird nicht zulassen, dass ich ohne handfeste Begründung bestimmte Ermittlungsrichtungen einfach ausschließe.«
»Und was ist mit den Ermittlungsrichtungen, die wirklich eindeutig nicht in Frage kommen?«, erwiderte ich.
Das war genau die bürokratische Blockadepolitik, die ich eigentlich aus meiner Zeit beim FBI kannte und nicht von der Metro Police. Seit meinem Weggang hatte sich vieles verändert, das stand fest. Oder vielleicht hatte auch nur ich mich verändert.
Ich stöhnte laut und ließ den Blick über die Bühne schweifen. »Was haben wir sonst noch?«
29
An jenem grauenhaften Abend nahm ich die Arbeit mit nach Hause, und das, obwohl es nicht einmal mein Fall war. Noch nicht.
Es war zwei Uhr morgens, und ich hatte den Entwurf eines überarbeiteten Täterprofils auf dem Küchentisch vor mir liegen. Der Publikum-Killer, wie wir ihn jetzt nannten, ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Kyle Craig übrigens auch nicht. Was, zum Teufel, wollte er von mir? Warum hatte er ausgerechnet jetzt Kontakt zu mir aufgenommen?
Als unter Nanas Türspalt Licht zu sehen war, drehte ich die Seiten um, damit sie nicht sehen konnte, was darauf stand. Als ob ein Haufen umgedrehter Blätter bei ihr keinen Verdacht erregen würde oder die alte Nachteule auch nur ansatzweise täuschen konnte.
»Hast du Hunger?«, waren ihre ersten Worte. Es war schon lange her, dass sie mich gefragt hatte, warum ich mitten in der Nacht noch auf war.
Ein paar Minuten später hatte sie zwei Apfel-Käse-Sandwiches in den Ofen geschoben - ein halbes für sich und anderthalb für mich. Ich machte eine Büchse Bier auf und kippte ihr einen kleinen Schluck in ein Saftglas.
»Was sind denn das für Papiere, die ich nicht sehen soll?«, fragte sie, ohne sich zu mir umzudrehen. »Womöglich dein Testament?«
»Soll das vielleicht witzig sein?«
»Überhaupt nicht, mein Kleiner, überhaupt nicht witzig. Nur traurig, sehr traurig.«
Sie stellte die beiden Teller auf den Küchentisch und setzte sich mir gegenüber. So, wie es jahrelang gewesen war.
»Ich glaube kaum, dass dir das, was ich dir zu sagen habe, gefallen wird«, sagte ich.
»Seit wann lässt du dich davon aufhalten?«
»Seit einer Weile habe ich eine eigene Praxis. Das hat mir gut getan - mal etwas anderes zu machen. Und in der Regel bin ich damit auch sehr zufrieden.«
Nana neigte den Kopf und kicherte ein paar Mal vor sich hin. »Oh, Alex. Was jetzt kommt, wird mir überhaupt nicht gefallen. Vielleicht sollte ich mich doch wieder ins Bett legen.«
»Aber«, sagte ich, doch dann verbesserte ich mich. » Und mir fehlt auch etwas.«
»Mm-hmm. Schon klar. Dass jemand auf dich schießt und dich verfehlt. Dass jemand auf dich schießt und trifft.«
Ich wusste zwar nicht genau, wie sie mir das Ganze hätte erleichtern können, aber sie versuchte es ja nicht einmal.
»Ich hatte gute Gründe, den Polizeidienst zu quittieren.«
»Ja, das stimmt, Alex. Sie liegen oben in ihren Betten und schlafen.«
»Nana. Ich war noch nie ein Mensch, der nur arbeitet, um sein Gehalt zu kriegen. Meine Arbeit ist ein Teil von mir, im Guten wie im Schlechten. Und in letzter Zeit ist ein Teil von mir abhandengekommen. So ist es eben.«
»Ich muss zugeben, dass mir das nicht entgangen ist. Aber abgesehen davon sind noch eine ganze Reihe anderer Dinge in letzter Zeit ebenfalls abhandengekommen. Telefonanrufe mitten in der Nacht zum Beispiel oder die Sorge, wann du wieder nach Hause kommst - ob du überhaupt wieder nach Hause kommst.«
So ging es eine ganze Weile hin und her. Was mich daran am meisten überraschte, war die Tatsache, dass mir, je länger das Streitgespräch dauerte, desto klarer wurde, was ich zu tun hatte.
Schließlich schob ich meinen Stuhl zurück und wischte mir die Hände an einer Papierserviette ab.
»Weißt du was, Nana? Ich liebe dich wirklich von Herzen. Ich habe ernsthaft versucht, ein geruhsames und friedliches Leben zu führen. Ich habe versucht, alles
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