Dead - Ein Alex-Cross-Roman
Ghraib, nichts wirklich Substanzielles mehr erbracht. Trotzdem, das war ein guter Anfang, dachte ich. Es war eine Botschaft des Killers für uns. Oder für mich?
»Dann haben wir den Blickwinkel ein wenig geöffnet und uns nach ähnlichen Elementen umgesehen«, sagte Bree und öffnete eine PowerPoint-Textgrafik.
»Hier haben wir die Mitschrift der Ansprache des Killers aus
dem ersten Teil des Videos. Und das hier...«, sie öffnete die nächste Grafik, »... ist eine Videobotschaft aus dem Jahr 2003, von einem gewissen ›Scheich von Amerika‹.«
»Ist das derselbe Typ?«, wollte jemand aus den hinteren Reihen wissen.
»Nein, ist nicht derselbe«, erwiderte Bree. »Aber ganz offensichtlich bedient unser Täter sich bei unterschiedlichen Quellen. Erst Abu Ghraib, dann das hier. Die beiden Ansprachen zeigen eine ungefähr sechzigprozentige Übereinstimmung.«
»Moment mal. Warum kann es dann nicht derselbe sein?«, wollte Richter wissen. Sein abfälliger Tonfall bewirkte, dass seine Fragen oft eher wie Anschuldigungen klangen.
Ich sah einen kurzen Anflug von Ärger über Brees Gesicht huschen, vermutlich war ich der Einzige, der das registrierte. »Weil der Scheich im letzten Jahr festgenommen worden ist. Seither sitzt er sich in einem Gefängnis in New York den Hintern platt«, sagte sie. »Können wir jetzt weitermachen?«
Der nächste Detective hob die Hand wie in der Schule. »Gibt es schon irgendwelche Hinweise auf die Nationalität des Täters?«
Bree nickte mir zu. Das war mein Stichwort. »Viele von Ihnen kennen Herrn Dr. Alex Cross. Ich werde ihn nun bitten, die wichtigsten Bestandteile des vorläufigen Täterprofils zu erläutern. Der Killer kennt Dr. Cross. Falls Sie es noch nicht wissen sollten, er wurde auf dem Videoband namentlich erwähnt.«
»Wie könnte ich eine solche Einladung ausschlagen?«, fragte ich und erntete ein paar Lacher.
Dann kamen wir direkt zur Sache.
24
Ich stand vor der versammelten Mannschaft und erkannte ungefähr die Hälfte der Leute im Saal wieder. Ich weiß nicht genau, wie viele der anderen zumindest von mir gehört hatten, vermutlich die meisten. Jahrelang war ich für die spektakulären Fälle in Washington zuständig gewesen, jetzt war es wieder so weit. Als selbstloser Freiwilliger? Als Hilfskraft für Detective Bree Stone? Was war ich eigentlich?
»Eines ist klar«, fing ich an. »Er will noch einen Mord begehen, ob er das Vorhaben nun in die Tat umsetzen kann oder nicht. Er präsentiert sich zwar wie ein Terrorist, aber es sind auch eindeutige Anzeichen für einen Serientäter erkennbar. Es lässt sich bereits eine Art Tatmuster erkennen.«
»Können Sie das etwas näher erläutern, Alex?«, fragte jemand. Ich warf Bree einen Blick zu, und sie hob das Kinn zum Zeichen dafür, dass ich weitermachen sollte.
»Seine Eröffnung, so könnte man es nennen, war ein Mord an einer einzigen Person. Es ist denkbar, dass er sich langsam an etwas Größeres herantastet, aber eigentlich glaube ich das eher nicht. Könnte gut sein, dass er immer nur ein Opfer töten will.«
»Wieso?«
»Gute Frage, und ich glaube, ich kann sie sogar beantworten. Ich vermute, dass er nicht von seinem eigenen Werk in den Schatten gestellt werden will. Hier geht es um ihn , nicht um die Opfer. Trotz all dem, was er in dem Video sagt: Er ist ein Narzisst durch und durch. Er möchte zum Star werden, unbedingt. Vielleicht hat er mich deshalb ja zur Mitarbeit ›eingeladen‹. Es könnte sogar sein, dass er ein paar Grußkarten am
Tatort zurückgelassen hat - unbeschriftete Karten der Firma Hallmark. Wir sind noch dabei, das zu untersuchen und zu überlegen, was es bedeuten könnte, wenn es wirklich so wäre. Und wir sehen uns die Bücher an, die Mrs Olsen geschrieben hat.«
»Was ist mit seinem Motiv?«, wollte Richter wissen. »Glauben Sie immer noch, dass es einen politischen Hintergrund geben könnte?«
»Ja und nein. Im Augenblick lautet die Arbeitshypothese, dass es sich um einen gebürtigen Iraker oder einen Mann irakischer Abstammung handelt, der eine polizeiliche und/oder militärische Ausbildung besitzt. Das FBI glaubt, dass er schon seit etlichen Jahren in den USA lebt, vielleicht auch sein ganzes Leben lang. Überdurchschnittlich intelligent, äußerst diszipliniert und, ja, vermutlich Antiamerikaner. Aber wir glauben auch, dass die politische Schiene mehr ein Mittel als der eigentliche Zweck sein könnte.«
»Ein Mittel wozu?«, fragte Richter nach, obwohl er wissen musste,
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