Dead - Ein Alex-Cross-Roman
Publikum.
Ich hatte mich schon gefragt, wie DCPKs Plan sich wohl entwickeln würde. Jetzt wusste ich es. Jeder Fernsehzuschauer würde das hier sehen. Dieser Hurensohn hatte alles ganz genau so geplant.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr - kurz nach sechs, Zeit für die Abendnachrichten. Deshalb also hatte der Killer seine zweite E-Mail so lange hinausgezögert.
Der Hubschrauber war so weit entfernt, dass man nicht jede Einzelheit erkennen konnte, aber dort auf dem Dach lag eindeutig ein menschlicher Körper. Ich war mir fast sicher, dass es sich um einen Mann handelte. Dunkle Hose, helles Hemd, und er schien aus dem Hals zu bluten. Das Gesicht allerdings sah merkwürdig aus, irgendwie seltsam verzerrt, was ich mir nicht recht erklären konnte.
In seiner Nähe lag eine ausziehbare Leiter. »Sagen Sie dem
Kameramann, er soll die Umgebung abschwenken«, sagte ich. »Bitte jetzt sofort.«
»Lass dir von dem nichts sagen.« Die junge Reporterin hatte ihren helmartigen, blonden Schopf zur Wagentür hereingestreckt. Langsam wurde es voll hier drin.
»O doch, sonst lasse ich Sie nämlich festnehmen«, sagte ich zu dem Techniker. »Das ist kein Spruch. Ich sperre Sie wirklich ein, und zwar alle beide .«
Er nickte und sagte dann in sein Mikrofon. »Bruce, schwenk mal das ganze Dach ab, okay? Und geh näher ran, wenn’s geht. Die Polizei will das so. Bitte bestätigen.«
Abgesehen von dem leblosen Körper machte das Dach einen verlassenen Eindruck, zumindest aus der Perspektive der Kamera. »Okay, das reicht«, sagte ich.
» Zurück zu der Leiche« , kläffte die Reporterin in meinem Rücken. »Wir sind live auf Sendung.«
»Alex!« Bree stand auf dem Bürgersteig. »Wir haben eine Leiter. Lass uns endlich da raufgehen.«
Ich warf noch einen letzten Blick auf den Bildschirm, dabei sah ich, wie der Arm des Opfers sich bewegte. Nur eine kleine, aber eindeutig wahrnehmbare Bewegung. Ich stürzte aus dem Übertragungswagen und hätte um ein Haar Miss Channel Four aus ihren hochhackigen Schuhen gerammt.
»Bree! Der lebt noch!«
86
Zuerst war ich auf dem Dach, danach kam Bree, dicht gefolgt von zwei sehr nervösen Sanitätern. Ich blickte mich kurz um, um sicherzugehen, dass wir nicht von irgendwoher angegriffen wurden, dann stolperten die Sanitäter zu dem Opfer, das, wie wir alle hofften, noch am Leben war.
Neben der Dachluke befand sich eine Holzterrasse und dahinter eine leere, mit Dachpappe gedeckte, ebene Fläche. Dort lag der leblose Körper. Das Dach kochte in der Sonne. Die Hitze ließ auch rund um den Körper Dampfwolken aufsteigen, und ich erkannte, dass die Blutlache unterhalb seines Halses größer geworden war.
»Sieht nicht gut aus«, stöhnte Bree.
Das Verstörendste jedoch war die Maske, die das Gesicht des Opfers bedeckte. Deshalb hatte er bei der Aufnahme aus dem Hubschrauber so merkwürdig ausgesehen. Wieder war es eine Richard-Nixon-Maske, genau wie bei den beiden Morden auf dem George Washington Memorial Parkway.
»Warum habe ich plötzlich das Gefühl, als wäre das gar nicht der Nachahmer?«, brüllte ich Bree ins Ohr, um das Dröhnen der über uns schwebenden Hubschrauber zu übertönen. »Als hätte es nie einen gegeben?«
Sie nickte. »Ich fürchte, du hast recht.« Wir hatten wieder einmal denselben Gedanken. Die sogenannten Nachahmer-Morde waren eine Hommage DCPKs an sich selbst. Und das hier war der Augenblick, in dem wir es erfahren sollten - während über unseren Köpfen die Fernsehkameras liefen. Die ganze Welt sollte zusehen, wie dieser Dreckskerl uns wieder einmal an der Nase herumführte.
»Ist er noch am Leben?«, rief ich dem nächsten Sanitäter zu. Seit unserer Ankunft auf dem Dach hatte ich keine Bewegung des Opfers mehr registriert.
»Blutdruck nicht messbar, Puls hundertzwanzig«, rief er uns zu. In der Zwischenzeit forderte sein Kollege per Funk eine Trage an.
»Nehmt ihm die Maske ab!«, sagte Bree.
Leichter gesagt als getan. Das Latex war anscheinend am Hinterkopf mit dem heißen Dach verschmolzen. Irgendwann schnitten die Sanitäter die Maske einfach vorne auf.
Das Latex sank beiseite und gab den Blick auf ein Gesicht frei. Ein uns bekanntes Gesicht.
Bree schnappte nach Luft, ich griff nach ihrem Arm, zum Teil auch, weil ich selbst ein wenig Stütze nötig hatte.
Das war Kitz!
Das Gesicht des FBI-Computerexperten, dem wir so viele wichtige Hinweise verdankten, war gespenstisch blass und mit dicken Schweißperlen übersät. Seine Augen waren
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