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Dead - Ein Alex-Cross-Roman

Dead - Ein Alex-Cross-Roman

Titel: Dead - Ein Alex-Cross-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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nehmen Sie.« Plötzlich steckte Anthony die Hand unter sein Jackett und holte einen Colt 9 hervor. »Nehmen Sie die verdammte Knarre!«
    »Langsam«, sagte ich. »Zwei Finger am Griff. Legen Sie sie auf den Tisch. Und lassen Sie die andere Hand, wo sie ist.«
    Anthony starrte mich auf eine Art und Weise an, die mir neu war, als hätte er soeben etwas erkannt. »Was sind Sie eigentlich, ein Bulle?«
    »Tun Sie nur, was ich Ihnen gesagt habe, okay?«
    Er legte den Colt auf das Kaffeetischchen. Ich sah nach, ob er wirklich nicht geladen war, und schloss ihn dann in meinem Schreibtisch ein. Holte tief Luft, stieß sie langsam wieder aus.

    »Möchten Sie jetzt über Ihren Traum sprechen?«, fragte ich ihn. »Basra? Was ist Ihnen dort zugestoßen?«
    Er nickte. Dann fing er an zu erzählen und dabei wieder kreuz und quer durch das Zimmer zu laufen. Zumindest war er nicht mehr bewaffnet.
    »Er hat angefangen wie immer... der Traum. Wir wurden getroffen, und ich konnte mich in einen Graben retten. Wie immer. Aber dieses Mal war ich nicht allein.«
    »Sprechen Sie von Matt?«, hakte ich nach. So weit waren wir beim letzten Mal gekommen.
    »Ja, genau, er war bei mir. Nur wir beide. Wir wurden von unserer Einheit getrennt.«
    Matt war einer seiner Kameraden gewesen, von dem er schon öfter erzählt hatte. Sie hatten auf demselben Munitionslaster gearbeitet, sehr viel mehr wusste ich noch nicht.
    »Er war total am Ende, Mann. Beide Beine waren Hackfleisch, wie ein Hamburger, komplett zermatscht. Ich musste ihn an den Armen weiterziehen. Das war alles, was ich machen konnte.« Er starrte mich Hilfe suchend an.
    »War das denn ein Traum oder ist das an jenem Abend wirklich passiert?«
    Jetzt senkte er seine Stimme, bis sie nur noch ein Flüstern war. »Das ist es ja, Doc. Ich glaube, sowohl als auch . Matt hat gebrüllt wie ein wildes, verletztes Tier. Als ich seine Schreie gehört habe, im Traum , da ist es mir vorgekommen, als hätte ich sie schon mal gehört.«
    »Konnten Sie ihm denn helfen?«, wollte ich wissen.
    »Eigentlich nicht, nein. Ich konnte ihm nicht helfen, konnte überhaupt nichts machen. Nicht mal ein Arzt hätte Matt helfen können, so wie es ihn erwischt hatte.«
    »Okay. Was ist als Nächstes passiert?«
    »Matt hat plötzlich gesagt: ›Ich schaff’s nicht. Schaff’s nicht.‹<
Immer und immer wieder. Die ganze Zeit werden wir von allen Seiten gleichzeitig unter Beschuss genommen. Keine Ahnung, ob das unsere Leute sind oder die Kameltreiber. Wir können nirgendwo hin - nicht in seinem Zustand, mit den zerschossenen Beinen und den raushängenden Eingeweiden und so weiter. Dann sagt er plötzlich. ›Bring mich um. Bitte. Mach es.‹«
    Mir war klar, dass Anthony jetzt ganz in seinem Traum gefangen war, in dem unsäglichen Schrecken dessen, was in jener Kriegsnacht geschehen war. Ich ließ ihn weiterreden.
    »Er zieht also seine Waffe. Er kann sie kaum mehr festhalten. Er weint, weil er es selbst nicht schafft, und ich weine, weil ich nicht will, dass er’s macht. Und überall Geschützdonner. Am Himmel geht es zu wie beim Feuerwerk am 4. Juli.«
    Anthony schüttelte den Kopf und verstummte. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Ich glaubte zu verstehen: Er hatte keine Worte, um das Geschehene zu beschreiben.
    »Anthony?«, sagte ich. »Haben Sie Matt geholfen, sich selbst umzubringen?«
    Eine Träne rann ihm über die Wange.
    »Ich habe meine Hand auf Matthews Hand gelegt, dann habe ich die Augen zugemacht... dann haben wir geschossen. Zusammen.« Anthony starrte mich an. »Sie glauben mir doch, oder, Herr Dr. Cross?«
    »Das sollte ich wohl, oder nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er, und in seinen Augen blitzte die Wut. »Sie sind der Arzt. Sie müssen den Unterschied zwischen Traum und Realität kennen. Den kennen Sie doch, oder?«

91
    Im Verlauf unserer äußerst merkwürdigen und seltsam energiegeladenen Sitzung hatte Anthony Demao mich gefragt, ob ich Polizist sei. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich ihm gar keine Antwort darauf gegeben hatte. Ich war mir in diesen Tagen selbst nicht sicher, wie sie hätte lauten können, da ich immer noch dabei war, mich wieder in den Polizeiapparat zu integrieren, und daher eine gewisse Sonderstellung einnahm. Aber eines wusste ich ganz sicher: Noch nie im Leben hatte ich mehr Arbeit in einen Fall investiert... einen Fall, der täglich komplizierter und komplexer zu werden schien.
    Zu unser aller Enttäuschung, aber unter den gegebenen Umständen nicht

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