Dead End: Thriller (German Edition)
dem Teppich im Schlafzimmer.«
»Ein Hund wird ja wohl kaum vierundzwanzig Dosen in einer Nacht verputzen«, knurrte Evi, als ich mit zwei Kartons Hundefutter in den Armen an ihr vorbei in die Küche tappte. Schnuffel wachte nicht einmal auf, als ich ging. Sie hatte bereits entschieden, wo sie wohnte.
57
Während ich zum St. John’s College zurückfuhr, versuchte ich mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal ein Date gehabt hatte. Als ich das Fahrrad durchs Haupttor schob, wurde mir klar: noch nie. Als Teenager hatte ich Freunde gehabt, wahrscheinlich mehr als die meisten anderen Mädchen. Aber ich hatte mich an Straßenecken mit ihnen getroffen, auf Parkbänken, auf Kinderspielplätzen nach Einbruch der Dunkelheit. Wir hatten rumgehangen, Billigfusel getrunken und geraucht. Das Knutschen und Fummeln war immer weiter und weiter gegangen, bis es, als ich sechzehn war, nicht mehr viel gab, was ich über Sex nicht wusste.
Mit siebzehn war ich von zu Hause weggegangen und hatte einige Zeit auf der Straße gelebt. Ich war ganz unten angekommen und hatte dann herausgefunden, dass es Orte gibt, die sogar noch schlimmer sind. Doch nach und nach hatte ich mich aus dem Sumpf gezogen und mich wieder auf die Reihe gekriegt. Ich war zur Reserve der Royal Air Force und dann zur Polizei gegangen, hatte nebenbei Jura studiert und mich in die Arbeit gestürzt. Viel Zeit für Geselligkeit war da nicht geblieben, und außerdem hatte ich schon vor langer Zeit beschlossen, dass ich niemanden nahe an mich heranlassen würde. Womit enge Beziehungen so ziemlich ausgeschlossen waren.
Angst hatte ich ganz sicher nicht vor Männern. Bis vor Kurzem hatte ich ein ziemlich aktives Sexleben gehabt; ich versuchte bloß nicht, mir einzureden, dass es bei den Männern, die in meinem Leben kamen und gingen, um etwas anderes ging als um Sex. Jetzt war ich Ende zwanzig und stand kurz vor meinem ersten Date. Mit einem Mann, der möglicherweise ein Ungeheuer in Menschengestalt war. Na ja, es hieß doch immer, Dates wären ein Minenfeld.
Schon vom Ende des Flurs aus konnte ich dröhnende Rockmusik hören. Dann öffnete ich unter einem Lärmschwall die Tür und sah Tox in der Mitte des Teppichs sitzen. Ihr pflaumenfarbenes Haar war oben auf dem Kopf hochgesteckt. Es sah aus, als hätte sie es seit Wochen nicht gekämmt und als werde es von einem Paar Essstäbchen gehalten. Sie trug pinkfarbene Leggins mit einem Loch darin. Ein Bein, das rechte, war nach oben und nach hinten gedreht, so dass sich der Knöchel hinter dem Kopf befand. Das andere war vor ihr angewinkelt. Mit den Händen stützte sie sich neben dem Körper ab. Ihre Augen waren geschlossen; sie öffnete sie nicht, als ich hereinkam.
Kopfschüttelnd – Kids! – ging ich an ihr vorbei in mein Zimmer. Ungeachtet dessen, was ich Evi erzählt hatte, fühlte ich mich immer noch nicht besonders. Ich hatte zwei Stunden Zeit, um Paracetamol, starken Kaffee und heißes Wasser ihr Wunderwerk tun zu lassen.
Die Musik verstummte. »Hi, Schätzchen«, hörte ich Tox aus dem Wohnzimmer rufen, als meine Ohren allmählich zu dröhnen aufhörten. »Kannst du mir mal kurz helfen?«
Ich ging zurück. Tox hatte sich nicht gerührt, außer dass sie auf dem Hintern ein Stückchen zu mir herumgerutscht war. »Ich hänge fest«, verkündete sie. »Kannst du mich irgendwie losmachen?«
Sie wollte mich veralbern. »Du kannst doch gar nicht festhängen«, sagte ich. »Beug einfach den Kopf nach vorn.«
»Bringt nichts«, erwiderte sie, und der Fairness halber muss man sagen, dass sie wirklich ein bisschen rot im Gesicht war. »Meine Leggins sind hinten an meinem Halsband hängen geblieben. Ich kriege das Ding nicht auf, hab die ganze Zeit dran rumgefummelt und es nur schlimmer gemacht. In meiner obersten Schublade ist ’ne Schere.«
Ich bückte mich. Tatsächlich, etliche Wollfäden hatten sich im Verschluss dieses Teils verhakt, das sie da um den Hals trug. Ich versuchte, es zu öffnen, doch die Wolle hatte sich um beide Seiten des Verschlusses gewickelt.
»Das kriegen wir nicht auf«, stellte ich fest.
»Schere«, sagte Tox. »Herrgott noch mal, ich sitz schon seit ’ner Stunde so da.«
Als ich sie losgeschnitten hatte, hakte sie ihr Bein mit beiden Händen von ihrem Nacken los und ließ es ganz langsam sinken. Dann streckte sie sich aus und rollte sich auf den Bauch, das Gesicht in den Teppich gepresst.
»Yoga?«, erkundigte ich mich, als sie aufgehört hatte zu stöhnen.
»Tantrisch«, nuschelte
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