Dead End: Thriller (German Edition)
wird man ziemlich gefügig und hat am nächsten Tag nur ganz verschwommene Erinnerungen oder überhaupt keine.«
»Passt bisher alles«, stellte ich fest. »Aber manchmal wachen sie doch trotzdem schreiend auf. Ist das, was mit ihnen passiert, so schlimm, dass es die Wirkung der Sedativa aufhebt?«
»Wenn dabei keine akuten Schmerzen im Spiel sind, ist das unwahrscheinlich«, sagte Evi. »Und diesen jungen Frauen werden keinerlei körperliche Verletzungen zugefügt, vergessen Sie das nicht. Ich würde sagen, da läuft noch etwas anderes.«
Als wäre das, was wir hier hatten, noch nicht genug. »Noch etwas anderes?«
»Auf dieser Liste hier stehen eine ganze Menge Halluzinogene«, meinte sie. »Mehrere Opfer hatten Spuren von psychedelischen Drogen im Körper.«
Bestimmt machte ich ein verständnisloses Gesicht, denn Evi seufzte schwer. »Okay«, begann sie. »Sie wissen doch, dass halluzinogene Drogen Erlebnisse induzieren, die sich von denen bei normalem Bewusstsein unterscheiden?«
»Sie meinen unechte?«
Sie nickte. »Ja, man könnte sagen, Erlebnisse, die nicht echt sind. Aber unter diesem Sammelbegriff gibt es eine riesige Bandbreite an Möglichkeiten, je nach Art der eingenommenen Droge und den jeweiligen Umständen.«
Der Hund war uns aus dem Wohnzimmer gefolgt, hatte jedoch seine Loyalität vollkommen auf Evi übertragen. Jetzt lag er zu ihren Füßen auf dem harten Fliesenboden und schaute hingebungsvoll zu ihr hoch. Was ja wohl anscheinend einiges über die Treue von Hunden aussagt. Ich hatte ihn vor einer Kugel gerettet, ihn gefüttert, ihm Obdach gewährt, und jetzt hatte er sich in das hübschere Gesicht verliebt.
»Weiter«, sagte ich.
»Bei halluzinogenen Drogen unterscheidet man drei grundlegende Typen«, erklärte Evi. »Zuerst die psychedelischen Drogen. Die lösen keine Halluzinationen im eigentlichen Sinne aus, sie verändern lediglich die Realitätswahrnehmung des Konsumenten. Jemand, der unter dem Einfluss solcher Mittel steht, sieht vielleicht unnatürlich leuchtende Farben oder dass sich unbelebte Gegenstände irgendwie bewegen. Oft geraten auch die Sinne durcheinander; die Leute reden davon, dass sie Farben hören und Geräusche sehen.«
»Voll abgefahren«, bemerkte ich.
Evi lächelte nicht. »Psychedelisch ist übrigens kein Hippie-Ausdruck, das kommt aus dem Altgriechischen«, belehrte sie mich. » Psyche heißt Verstand oder Seele, und delos enthüllen oder manifestieren. LSD ist eine psychedelische Droge, genau wie DMT oder Mescalin. Und was sie bewirken, ist Folgendes: Sie bringen einen verborgenen Teil des Menschen an die Oberfläche.«
»Verborgen, aber real?«, fragte ich.
»Genau. Ende der Sechziger wurden medizinische Experimente durchgeführt; die dazugehörige Theorie war, dass durch Anwendung psychedelischer Drogen alles, was die Menschen verborgen halten, in den Vordergrund ihres Denkens verlagert wird. Das war natürlich riskant, denn wenn die Menschen Erinnerungen verdrängen, tun sie das normalerweise aus gutem Grund. Sie mit Gewalt künstlich ans Tageslicht zu zerren könnte sehr gefährlich sein.«
»Wenn also jemand ein Geheimnis hat, dann könnten psychedelische Drogen es aufspüren?«, fragte ich und verspürte ein Frösteln, das nichts mit der Temperatur zu tun hatte. Ich hatte auch ein paar Geheimnisse, die ich fest unter Verschluss halten wollte.
»Dann haben wir die dissoziativen Drogen«, dozierte Evi weiter. »Die führen dazu, dass die Außenwelt als traumähnlich oder irreal wahrgenommen wird. Man bekommt mit, was um einen herum vorgeht, aber man fühlt sich unbeteiligt. Manche Leute haben berichtet, sie hätten das Gefühl gehabt, sich von außen zuzuschauen oder sogar die ganze Welt auf einem riesigen Bildschirm zu sehen. Kommen Sie noch mit?«
»Ja, sicher«, beteuerte ich. »Und was sind typische dissoziative Drogen?«
» PBC und noch mal Ketamine. Beide wurden ursprünglich als Anästhetika für chirurgische Eingriffe entwickelt. Stehen beide auf dieser Liste.«
»Und die dritte Gruppe?«
»Wahrscheinlich die gefährlichsten, die Delirantia«, antwortete Evi. »Die können im wahrsten Sinne des Wortes Halluzinationen auslösen. Die Konsumenten reden mit Menschen, die gar nicht da sind, sie sehen Dinge, die keinerlei Basis in der Realität haben.«
»Und das, was sie da sehen, ist das meistens unheimlich?«, erkundigte ich mich.
»Kommt drauf an«, meinte Evi. »Jemand, der gut drauf ist und sich in einer Situation befindet, in der er
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