Dead End: Thriller (German Edition)
leuchteten weiß und golden im Laternenlicht. Er war, als träte man in ein Märchen ein.
»Daran kann ich mich nie sattsehen«, sagte Nick, als wir über den Gehsteig gingen und Schnee unsere Spuren fast augenblicklich wieder zudeckte. »Meine Eltern haben beide an der Uni gearbeitet. Als ich jünger war, haben sie sich am meisten darüber gestritten, auf welches College ich mal gehen soll. Meine Vorstellung von Teenager-Rebellion war die Drohung, mich in Oxford zu bewerben.«
Für mich hatte Teenager-Rebellion bedeutet, an den Kais von Cardiff Autos abzufackeln. Dies schien nicht der richtige Augenblick zu sein, um das zur Sprache zu bringen. »Und wo sind Sie dann gelandet?«, erkundigte ich mich.
»Trinity«, antwortete er. »Dads früheres College. Da war er schon gestorben, und meine Mutter fand, es wäre so eine Art Andenken an ihn, wenn ich da hinginge.«
Sein Vater war gestorben. Wie denn genau? Eines natürlichen Todes, oder … Jetzt befanden wir uns zwischen den Collegegebäuden. Türme und Türmchen ragten über uns auf.
»In Momenten wie diesen«, sagte Nick und schaute zu den Dächern empor, »da hoffe ich immer, dass ich vielleicht mal einen Nightclimber zu sehen bekomme.«
Er hatte eine winzige Narbe unter dem Kinn. Von so nahe roch er ziemlich gut. Irgendetwas Warmes, Gehaltvolles. »Hört sich an wie ein zweitklassiger Horrorfilm«, bemerkte ich.
»Das wären dann Nightcrawlers«, meinte er. »Sagen Sie nicht, Sie hätten noch nie von den Nachtkletterern gehört.«
Vorsicht. Das könnte etwas sein, was jeder echte Cambridge-Student wissen müsste.
»Irgendwo schon«, sagte ich. »Ich glaube, ich hab einfach gedacht, die sind nur so eine Erfindung.«
»Oh nein, die gibt es wirklich, und wie«, erwiderte er. »Dafür gibt’s jede Menge fotografische Beweise. Fast jedes Jahr sieht man im Dezember eine Weihnachtsmannmütze auf einer von den Turmspitzen vom King’s College. In einem richtig guten Jahr sogar auf allen.«
»Und wer genau sind die Nightclimber?«
Er lächelte auf mich herab. »Das weiß niemand, darum geht’s ja gerade. Da gibt’s keinen Club oder so etwas, dem man beitreten könnte, weil das absolut gegen die Regel ist. Wenn man beim Klettern erwischt wird, fliegt man raus, keine Diskussionen.«
»Und wo klettern die rauf?«
Nick hob die Hand und deutete mit einer Geste auf den Himmel um uns herum. »Auf alles«, sagte er. »Dächer, Schornsteine, Regenrinnen, Türme. Das hat damals angefangen, als die Colleges um zehn Uhr abends zugesperrt wurden. Studenten, die zu lange draußen geblieben sind, mussten reinklettern. Ein paar haben Geschmack daran gefunden.«
Ich betrachtete einen Kirchturm ganz in der Nähe. Sah ziemlich hoch aus.
»Stürzen auch mal welche ab?«, fragte ich.
»Oh ja. Vor ein paar Jahren hat sich mal einer auf einem Zaun aufgespießt. Es heißt, er wäre so betrunken gewesen, dass sie ohne Betäubung operiert hätten.«
Wir hatten das Haupttor des St. John’s College erreicht. Cambridge ist eine Kleinstadt. Nick begrüßte den Pedell mit Namen, als wir durch die kleine innere Tür in den First Court traten. Eine Gruppe älterer Studenten baute dort gerade einen Schneemann.
»Und, waren Sie jemals nachtklettern?«
»Ah, das ist so«, meinte er. »Wer klettert, redet nicht darüber.«
Eine Katze beobachtete uns von einem Fenstersims im ersten Stock, als wir auf den Eingang des Cripps Building zugingen, und ich verspürte die Anfänge eines nervösen Kribbelns. Bestimmt würde Nick erwarten, dass ich ihn hereinbat.
Wir hatten die Tür erreicht. Er drehte sich zu mir herum und fasste die Aufschläge meines Mantelkragens, um mich näher zu ihm zu ziehen. Und einen Moment lang ertappte ich mich dabei, wie ich es tatsächlich in Erwägung zog. Er war der attraktivste Mann, der mir seit Langem begegnet war, und es war nichts Ungewöhnliches für Undercover-Polizisten, sexuelle Beziehungen mit Personen zu haben, gegen die sie ermittelten. Lief alles unter Infiltrationstechniken und vertrauensbildende Maßnahmen.
Andererseits, wollte ich nicht, dass türkisblaue Augen auf mich herabblickten, wenn ich das nächste Mal Sex hatte, keine braunen?
»Also, morgen Nachmittag«, sagte er. »Um drei. Bei mir. Kommen Sie mit zur Beizjagd?«
Joesbury würde ich nicht kriegen. Niemals. Er war der einzige Mann auf der ganzen Welt, den ich nicht auf Abstand würde halten können.
»Okay«, willigte ich ein und legte den Kopf so zurück, dass der Winkel zwischen
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