Dead End: Thriller (German Edition)
mich meistens nachdenklich.«
Nachdenklich reichte vorn und hinten nicht. Bryony hatte eine Glocke als etwas benannt, wovor sie Angst hatte. Scott Thornton, ein Mann mit ungewöhnlichen Hobbys, zu denen auch das Demütigen von Frauen gehörte, hatte ein Industriegelände aufgesucht, das den Namen einer alten Glockengießerei trug. Hatte ich eine Verbindung gefunden? Und war das bedeutsam genug, um gegen Joesburys Kontaktembargo zu verstoßen?
Wir saßen in Nicks großer, altmodischer Küche. Ich hatte ihm geholfen, die Vögel in ihren Schuppen zu bringen und sie zu füttern. Ein interessantes und etwas blutiges Erlebnis, da sie tote Küken und die für Menschen ungenießbaren Teile der Wildvögel fraßen, die wir gefangen hatten. Nachdem die Vögel versorgt waren, hatte Nick drei Eimer Pferdefutter gemischt und einen davon dem grauen Wallach Shadowfax vorgesetzt. Für gewöhnlich ritt er ihn immer frühmorgens, erzählte er mir, und die Hunde kämen mit, damit sie Bewegung hatten. Allmählich kam ich mir vor, als sei ich auf den Seiten von Country Life gelandet.
Als wir mit dem Abendessen fertig waren, war es stockdunkel draußen, und ich sollte wirklich ins Wohnheim zurückfahren, Evi anrufen, schauen, ob es etwas Neues von Jessica gab, und wieder einmal versuchen, den ach so schwer erreichbaren Mark Joesbury zu fassen zu bekommen.
»Wollen Sie etwas von dieser Nachdenklichkeit mit mir teilen?«, erkundigte sich Nick.
Andererseits hatten die doch alle meine Handynummer. Und ich konnte Nick wirklich von der Liste meiner Hauptverdächtigen streichen. »Wissen Sie, diese Geschichte, wegen der Evi Oliver sich Sorgen macht«, sagte ich. »Diese Selbstmorde.«
Nick seufzte theatralisch, stellte jedoch sein Glas hin und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Weiter.«
»Sie wissen doch, sie hat von Selbstmord-Webseiten und Online-Anstiftungen geredet.«
Er nickte.
»Also, sagen wir mal, das Ganze ist ein bisschen organisierter. Was ist, wenn jemand sich ganz gezielt gefährdete Personen aussucht und denen dann das Leben so sehr zur Hölle macht, wie es nur geht?«
»Mit dem einzigen Ziel, sie zum Äußersten zu treiben?« Ein kleines Lächeln auf Nicks Gesicht zeigte, dass er mich für reichlich versponnen hielt.
»Ja. Kann man rein theoretisch einen potenziellen Selbstmörder erkennen?«
»Das ist eigentlich ein Thema für Evi«, meinte Nick.
»Sie haben recht«, antwortete ich und legte beide Hände flach auf den Tisch, als wolle ich aufstehen. »Ich werde sie fragen.«
Unter dem Tisch hakte sich erst ein langes Bein und dann ein zweites um meinen Knöchel. Ich saß fest.
»Jeder, der schwere seelische Schmerzen leidet, egal warum, ist ein potenzieller Selbstmörder«, sagte Nick. »Aber das trifft auf viele Leute zu, von denen zum Glück nur sehr wenige den letzten Schritt machen.«
»Aber wie findet man die? Die tragen doch keine Abzeichen.«
»Jemanden mit Problemen erkennt man leicht. Das schafft jeder, der ein bisschen was in der Birne hat. Sie zum Beispiel.«
»Ich?«
Eine Hand streckte sich vor und legte sich auf meine. »Sie verbergen ein dunkles Geheimnis«, verkündete er. »Sagen Sie mir, was für eins?«
Wo sollte ich da anfangen? »Dann geht es also einfach nur darum, jemanden zu finden, der Probleme hat, und den dann besser kennenzulernen«, meinte ich. »Rauszufinden, auf welche Knöpfe man drücken muss?« Ich dachte daran, was Evi mir über Jessica erzählt hatte, die junge Frau mit den Essstörungen, die in aller Öffentlichkeit wegen ihrer Figur gehänselt worden war. Nicole hatte Angst vor Ratten gehabt und war mit Rattenstreichen gepiesackt worden.
»Das wäre meiner Ansicht nach das Minimum. Der Überlebensinstinkt ist bei den meisten Menschen ziemlich stark ausgeprägt.«
»Was also noch? Wenn Sie jemanden in den Selbstmord treiben wollten, wie würden Sie das anstellen?«
»Jemanden zu zwingen, von Dezember bis Februar in diesem Haus zu wohnen, wäre schon mal ein Anfang«, bemerkte er.
»Im Ernst.«
»Können wir bald mal über was Netteres reden? Zum Beispiel darüber, dass die Haut gleich unter Ihrem Schlüsselbein aussieht, als wäre das die ideale Stelle, um mir meine kalte Nase zu wärmen.«
»Sie verbringen zu viel Zeit mit Ihren Hunden. Kommen Sie schon, wie würden Sie’s machen?«
»Im Ernst«, sagte er, »würde ich gleichzeitig physisch und psychisch auf sie losgehen. Ich würde rausfinden, wovor sie Angst haben, und diese Ängste dann bedienen.«
»Und
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