Dead End: Thriller (German Edition)
nach dem Handy zu greifen, doch ich merkte, dass sie drauf und dran war zu lächeln.
»Ich glaube, diese Bezeichnung wird in professionellen Kreisen nicht besonders geschätzt«, sagte ich und steckte das Handy wieder in meine Tasche. »Okay, wenn das alles vorbei ist und die bösen Jungs sitzen, dann rufen Sie ihn entweder selbst an, oder ich tue es für Sie.«
Ich lieh mir Evis Hausschlüssel und fuhr los, um mit Schnuffel joggen zu gehen. Als der Hund versorgt war, schloss ich sorgfältig ab und brachte Evi den Schlüssel zurück ins Krankenhaus. Dann lief ich ein paar Treppen hinunter bis zu Bryonys Stockwerk und ging zu ihrem Zimmer.
»Hi«, sagte ich. Der Blick in Bryonys blauen Augen wurde weicher, und ich dachte insgeheim, sie hätte mich vielleicht angelächelt. Dann, noch ehe ich etwas sagen konnte, ging die Tür hinter uns auf, und zwei Männer standen auf der Schwelle. Der erste war George, der Pedell vom St. John’s College, der mich am ersten Tag zu meinem Zimmer gebracht hatte. Der zweite war Nick.
»Hallo, Miss Farrow«, sagte George. »Wie geht’s denn unserer Patientin?«
»Ich bin gerade eben erst gekommen«, antwortete ich. »Aber die Schwester draußen hat gesagt, sie macht sich gut.«
Die beiden Männer traten weiter ins Zimmer. Ich sah, wie beide einen raschen Blick auf die Tafel in Bryonys Zelt warfen. »Na, das sind ja tolle Neuigkeiten«, meinte George. Er zog einen Stuhl heran und ließ sich neben Bryony nieder. »Hallo, Liebes. Wie geht’s Ihnen heute?«
Nick bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, dass wir das Zimmer verlassen sollten, und ich folgte ihm nach draußen. Als die Tür sich schloss, konnten wir George mit leiser, sanfter Stimme mit Bryony sprechen hören.
»Kennt er sie gut?«, fragte ich. Mir war klar, dass mir allmählich jeder verdächtig vorkam, aber ich fragte mich, wieso ein College-Pedell eine Studentin besuchte.
»Er kommt oft«, sagte Nick. »Manche von den Pedellen freunden sich richtig mit den Studenten an. Für viele sind das Ersatzsöhne und -töchter.«
»Für einen Hausarzt verbringst du auch ganz schön viel Zeit hier«, bemerkte ich, ehe ich überlegen konnte, ob das klug war oder nicht.
»Bryony ist meine Patientin«, erwiderte er. »Jessica war bei einem Kollegen aus unserer Praxis. Und ich könnte dasselbe von dir sagen. Wie lautet deine Ausrede?«
»Ich habe mich gerade von Evi verabschiedet«, sagte ich.
»Wie sehen deine Pläne für heute Abend aus?«, erkundigte er sich.
»Ist noch nicht sicher«, gab ich zurück und dachte, dass ich bis zum Abend möglicherweise dringend ein Bett für die Nacht brauchen könnte. Nicht dass ich auch nur in die Nähe von Nicks Haus kommen würde. Nicht jetzt.
66
Mein Zimmer war genauso, wie ich es zurückgelassen hatte. Außer dass Tox diesmal da war.
»Du stilles Wasser, du«, begrüßte sie mich. »Wieso hast du mir nicht erzählt, dass du so einen rattenscharfen Bruder hast? Ist der Single? Ist er hetero? Oh Gott, bitte sag, dass er nicht schwul ist.«
»Was?« Zugegeben, das war nicht gerade die intelligenteste Antwort der Welt, aber ich hatte einen harten Tag gehabt.
Von weiter unten im Flur war das Rauschen einer Toilettenspülung zu hören. Tox wand sich ein wenig, drehte sich so, dass sie ihren Hintern im Spiegel sehen konnte, und schob sich eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr.
»Hier ist sie«, trällerte sie, als ein großer, dunkelhaariger Mann im Flur auf uns zukam. »Ich hab doch gesagt, sie kommt bestimmt gleich.«
»Hey, Zwerg«, sagte Joesbury. Er bückte sich, küsste mich auf die Wange und gab mir einen Klaps aufs Hinterteil, der einem richtigen Bruder wahrscheinlich eine aufgeplatzte Lippe eingetragen hätte.
»Yo, Brüderchen«, antwortete ich, und, ja, das war dürftig, aber wie gesagt, der Tag war hart gewesen.
Joesbury trug helle Hosen und ein Button-down-Hemd mit rosa und hellvioletten Streifen. Ein hellvioletter Pullover hing ihm über den Schultern. Ich hatte ihn noch nie so herausgeputzt gesehen. Er sah geradezu adrett aus.
»Mum hat mich gebeten vorbeizuschauen«, sagte er. »Gran geht’s mal wieder nicht gut.«
»Das ist schon das dritte Mal in diesem Jahr«, meinte ich, bevor mir wieder einfiel, dass wir erst Januar hatten. »Studienjahr«, fügte ich an Tox gewandt hinzu, die anscheinend nicht imstande war, den Blick von Joesbury abzuwenden.
»Bleibst du heute Abend hier?«, fragte sie ihn. »Wir könnten mit dir irgendwo hingehen, nicht, Laura? Es sei denn,
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