Dead End: Thriller (German Edition)
Ich sauste zum College zurück und nahm mein Auto. Zehn Minuten später ging ich zu Fuß zum Bootshaus von St. John’s hinunter. Nur eine Mannschaft war schon wieder zurück, der Vierer mit Steuermann der Frauen.
Der Vierer mit Steuermann der Männer kam als Nächstes, die Ruderer glühten rosig vor Kälte und Anstrengung. Sie trieben ans Ufer, stiegen aus und hoben das Boot aus dem Wasser. Keiner von ihnen war der Mann, nach dem ich suchte.
Der Frauenachter legte an, und dann kam der der Männer um die Flussbiegung herum in Sicht. Er kam schnell herein, nahm erst im allerletzten Moment die Fahrt weg, und das Boot lief hart aufs Ufer auf. Einer nach dem anderen stiegen die Männer aus, sichtlich ermüdet, das Haar schweißfeucht. Ich stand auf und verdrückte mich zur Vorderseite des Bootshauses, wo sie, wie ich genau wusste, nach dem Duschen und Umziehen schließlich herauskommen würden.
Ich hatte ihn gefunden. Diese Haare, selbst nass von Schweiß und Flusswasser, waren unverwechselbar. Er hatte ganz vorn im Boot gesessen, wo traditionell der Stärkste der Mannschaft rudert, der Schlagmann, der das Tempo für das ganze Boot vorgibt.
Zwanzig Minuten später, als ich so lange verkrampft und bibbernd dagestanden hatte, dass es wehtat, kam er heraus. Er trug Jeans, Wildlederstiefel und einen dicken Kapuzenpullover. Sei Haar war jetzt trocken und sah genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Was ich gestern Nacht nicht mitbekommen hatte, war, dass er ganz sicher kein Student war. Dieser Mann war Mitte bis Ende dreißig; möglicherweise ein Doktorand, wahrscheinlich eher ein Tutor oder ein Dozent. Ich sah, wie er die Straße hinaufging, in einen roten Saab Cabrio stieg und wegfuhr.
Ich folgte ihm und achtete darauf, dass wenigstens zwei Autos zwischen uns waren. In der Stadt musste ich mich sehr konzentrieren, um an ihm dranzubleiben, doch als wir erst aufs freie Land hinauskamen, wurde es leichter. Würde sich ein Dozent wirklich als Zorro verkleiden, in ein Studentenwohnheim eindringen und nur so zum Spaß über eine junge Studentin herfallen? Irgendwie schien mir das nicht besonders wahrscheinlich.
Wir fuhren auf einer Hauptstraße in östlicher Richtung von Cambridge weg, und ich fing gerade an, mich zu fragen, wie lange ich ihn guten Gewissens verfolgen konnte, als er links blinkte und von der Straße abfuhr. Ich tat es ihm nach, und ein paar Minuten später sah ich den roten Saab auf die Durchfahrtstraße eines Industriegeländes abbiegen.
Inzwischen war es früher Abend, und ich hielt neben einem großen Schild, auf dem die verschiedenen Gebäude aufgelistet waren, die auf dem Gelände standen. Rasches Durchzählen verriet mir, dass es ungefähr fünfzig waren. Der Saab war ein paar hundert Meter weiter in eine kleinere Seitenstraße eingebogen.
Die meisten Gebäude, die ich um mich herum sehen konnte, waren innerhalb der letzten zehn Jahre errichtet worden. Zumeist sahen sie aus wie Lagerhäuser, mit Wellblechwänden und sanft abfallenden Dächern. Die meisten hatten mächtige Rolltore. Einige hatten Fenster im oberen Stockwerk, was auf Büros oder vielleicht auch Ausstellungsräume hinwies. Ein paar der Gebäude waren aus Backstein, schäbig und offenkundig sehr viel älter. Abblätternde Farbe und verblichene Wandbeschriftungen sagten mir, dass einige davon wahrscheinlich leer standen.
Ich fuhr wieder los, bog in die Seitenstraße ein und rollte im Schritttempo dahin. Der Saab parkte am anderen Ende der Straße. Ich sah, wie der langhaarige Ruderer die paar Schritte bis zur Eingangstür eines Gebäudes zurücklegte und hineintrat. Dann wendete ich und fuhr zurück zu dem Schild am Eingang des Geländes. Meine Zielperson war in Gebäude 33 gegangen, JST Vision. Nur ein paar Meter entfernt war eine kleine Sackgasse, die wahrscheinlich von Lastwagen zum Wenden benutzt wurde. Ich fuhr rückwärts hinein und war dank ein paar überhängender Bäume von der Straße aus fast nicht mehr zu sehen. Hinter mir wies ein Schild den Weg zu einem öffentlichen Uferweg. Ich wartete eine halbe Stunde und beschoss, dass es eigentlich Quatsch war, den Abend in meinem Auto zu verbringen, persönlicher Rachefeldzug hin oder her. Also zog ich mein Handy heraus.
» DC Stenning«, meldete sich die Stimme, die stets ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern konnte.
»Pete, hier ist Lacey.«
»Großer Gott, Flint, was machen Sie denn? Man hat uns gesagt, Sie wären ganz tief undercover abgetaucht.«
»Bin ich auch«,
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