Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
der Wange. Er fragte sich, was ein Mädchen wie Angelien an jemandem wie Dirk nur fand. Aber Mädchen waren komisch, was das anging. Sie sagten zwar, sie würden Jungen mögen, die nett wären und sie mit Respekt behandelten, doch im nächsten Moment knutschten sie mit irgendeinem Arsch herum – wie Molly mit Carl Patterson.
Alex musste lächeln, als er sich Carl Pattersons Gesicht vorstellte, hätte er Alex mit Angelien gesehen. Oder auch Molly Rymans Gesicht. Doch verschwand sein Lächeln wieder, als er an Molly dachte.
Der Alex, der Molly Ryman verfolgt hatte, schien wie eine andere Person. Er war damals besessen gewesen,hypnotisiert. Und was er angerichtet hatte, tat ihm auch aufrichtig leid, nur konnte er sich im Grunde kaum erinnern, überhaupt etwas getan zu haben. Als wäre er in einer Art Trance gewesen. Er hatte auch versucht, es seinem Vater zu erklären, aber der hatte nur gemeint, Alex wollte keine Verantwortung übernehmen.
Alex holte die Postkarten vom Rijksmuseum heraus und sah sie sich noch einmal an. Sie schienen fast gewöhnlich, verglichen mit den echten Gemälden. Und auch Van Kampen wirkte auf diese Größe zusammengeschrumpft nicht mehr ganz so einschüchternd.
Doch noch während Alex das dachte, kroch ihm ein Schauer den Rücken hinunter, als würde in einer Winternacht das Fenster aufgerissen und ein kalter Luftzug ihm in den Nacken wehen. Er sah auf das Gemälde von Hanna, wie sie am Fenster stand, und ging zur Kommode, um die Maske zu holen und beide zu vergleichen.
Die ovale Form, die Augenhöhlen, der Winkel des lächelnden Mundes – das alles schien sehr ähnlich. Aber bei dem Maßstab war es schwer zu sagen. Dann hatte Alex eine Idee. Er ließ die Karten im Zimmer und ging in die Lobby hinunter.
»Entschuldigen Sie«, sagte er zu der Frau an der Rezeption. »Haben Sie eine Lupe?«
»Wie bitte?«, sagte sie.
»Ach, nicht so wichtig«, sagte Alex, dem die Frage jetzt selbst ein wenig sonderbar schien.
»Eine Lupe, das war doch richtig?«, sagte der Hotelmanager, der aus seinem Büro trat. »Sicher haben wir eine.«
Er stöberte in einer Schublade und zog eine große Lupe heraus. Er lächelte und reichte sie Alex über den Empfangstisch.
»Einige unserer älteren Gäste vergessen manchmal ihre Brille und nehmen dann die hier, um die Zeitung zu lesen«, sagte er. »Ich benutze sie manchmal selbst, die Schrift ist heutzutage so klein.«
»Danke«, sagte Alex.
»Und? Unterwegs einen Mord aufzuklären?«
»Wie bitte?«, sagte Alex.
»Die Lupe«, sagte der Hotelmanager. »Wie Sherlock Holmes. ›Ganz wie Sie meinen, Watson.‹«
»Ach so«, sagte Alex und nickte. »Ja. Genau.«
Alex ging zurück auf sein Zimmer. Er nahm die Postkarten, hielt sie mit der Lupe dicht vors Auge und betrachtete die Details.
Die Lupe hatte fast schon eine magische Wirkung. Nicht nur war das Bild vergrößert, es schien auch viel schärfer und plastisch, fast schon wie in 3-D. Die Schatten wurden zu tiefen, dunklen Brunnen, die Maske und der Mond waren die einzigen hellen Flächenauf dem gesamten Bild. Die geisterhaften Kinder wirkten besonders deutlich und lebendig. Alex bewegte die Lupe ein Stück nach oben, um sich Hanna anzusehen.
Die Masken waren identisch; das konnte Alex jetzt mit erschreckender Klarheit erkennen. Kein Zweifel. Sie glichen sich in jedem noch so kleinen Detail, in jeder geschnitzten Falte. So sehr, dass Alex vom Hin- und Hersehen zwischen Gemälde und Maske ganz schwindelig wurde. Es schien unmöglich, aber doch wahr.
Alex legte die Karte von Hanna wieder hin, nahm das Porträt von Van Kampen und betrachtete das Gesicht des Mannes, der Jahrhunderte zuvor in eben diesen Räumen gewandelt war. Seine Kälte schien ihn noch zu überdauern; als hätte sie den ganzen Teil des Gebäudes infiziert.
Dann bemerkte Alex den Stock in seiner Hand und musste mehrmals blinzeln. Er konnte nicht glauben, was er sah. Er hielt die Lupe über den Knauf des Spazierstocks, doch egal, wie oft er ihn betrachtete, er war sich absolut sicher, es war der gleiche Knauf, der an dem Schlüssel seines Vaters hing.
Alex nahm die Karte von Hanna zur Hand. Der Schwindel, der ihn übermannt hatte, als er vor ihrem Gemälde stand, kam mit einem Mal zurück, als er ihre Kleidung betrachtete.
Alex hatte das Gefühl, noch mehr Details wahrzunehmen, als könnte er fast in das Gemälde klettern und sich ansehen, was er wollte.
Und dort auf Hannas Kleid unter dem Spitzenkragen war ganz deutlich eine Brosche
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