Dead Eyes - Der Fluch der Maske (German Edition)
Heiterer Geselle, was?«, sagte Angelien und verzog das Gesicht.
Alex hob die Brauen. Was für eine Untertreibung. Auch wenn keiner der Männer auf den Porträts auch nur ansatzweise lächelte und alle miteinander aussahen, als hätten sie niemals in ihrem Leben gelacht, wirkte der Typ im Vergleich dazu noch einmal doppelt so düster.
»Er war ein sehr erfolgreicher Kaufmann. Viel Spaß hatte er dabei aber sicher nicht. Er gehörte bestimmt zu den Menschen, für die allein die Vorstellung von Spaß schon eine Sünde war.«
»Wie, eine Sünde?«, sagte Alex
»Na ja«, meinte Angelien. »Denen gefiel es schon, Geld zu haben, aber in den Himmel wollten sie schließlich auch. Sie wollten sich nicht zu sehr amüsieren.«
Van Kampens eisiger Blick schien Alex’ Fleisch zu durchbohren, und sein Gesicht fing an zu kribbeln, als wäre eine kalte Brise durch den Raum gezogen. Van Kampen war groß und schmal. Licht spielte in den Falten seiner Kleidung und machte das kostbar gestickte Gewebe sichtbar. Die Kleider mochten schwarz und streng gewesen sein, aber sie waren auch ganz offensichtlich sehr teuer.
Weiße Rüschen säumten die Ärmelmanschetten, das Kinn war mit einem großen runden Spitzenkragenumfasst, der aussah, als säße sein Kopf auf einem Teller. Die Spitze war nur unwesentlich heller als seine Haut.
Er hatte ein Gesicht, unter dem man nur allzu deutlich die Schädelstruktur erkennen konnte. Die Haut spannte sich geradezu über den Knochen.
Unter seiner langen, gebogenen Nase trug er einen an den Enden nach oben gezwirbelten Schnurrbart. Darunter sah man seine schmalen, farblosen Lippen. Ein roter Bart saß auf dem spitzen Kinn, die längsten Haare lagen auf dem weißen Spitzenkragen.
Er stand seitlich zum Betrachter, nicht ganz im Profil, das Gesicht leicht nach rechts gedreht, aber seine stechenden Augen blickten direkt geradeaus.
Die linke, vom Betrachter abgekehrte Gesichtshälfte lag im Schatten und verschmolz mit dem grauschwarzen Hintergrund.
Wie ein morbides Echo zu Van Kampens knochigem Gesicht hielt er in der linken Hand einen Totenkopf, der seine augenlosen Höhlen direkt auf Alex richtete. In der anderen Hand hielt er einen Stock.
»Der soll einen gemahnen, dass wir alle sterben müssen«, sagte Angelien, die Alex’ Blick bemerkte. »Das findet man damals recht oft, Totenköpfe auf Gemälden. Sie waren ein Symbol dafür, dass egal, wie reich und erfolgreich einer war, wir alle am Ende sterben und gerichtet werden.«
»Gerichtet?«, sagte Alex.
»Von Gott«, erklärte Angelien.
»Glaubst du daran?«, sagte Alex. »Dass wir von Gott gerichtet werden?«
Angelien zuckte mit den Achseln und lächelte vage.
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Und du?«
Alex schüttelte den Kopf.
»Nee«, sagte er. »Ich denke, so richtig glaube ich an gar nichts.«
»Jeder glaubt an etwas«, sagte Angelien. »Muss ja nicht immer Gott sein.«
»Und woran glaubst du?«, sagte Alex.
Angelien lächelte.
»Ich glaube an mich«, sagte sie.
Sie verließen das Museum und gingen durch den Regen zur Tramstation, um zurück in die Stadt zu fahren.
»Kann ich dich etwas fragen, Alex?«, sagte Angelien auf dem Weg zum Hotel.
»Klar«, sagte Alex.
Angelien schwieg einen Moment, als überlegte sie noch, ob sie ihn überhaupt fragen sollte.
»Du scheinst ziemlich wütend auf deine Mutter zu sein«, sagte sie. »Warum hasst du sie eigentlich so?«
Alex seufzte.
»Ich hasse sie ja gar nicht«, sagte er.
»Okay«, sagte Angelien. »Warum bist du dann so wütend auf sie?«
»Hab ich doch gesagt«, sagte er. »Sie ist mit einem anderen Mann abgehauen. Sie hat uns verlassen.«
»Ist da nicht noch was anderes?«, fragte Angelien nach.
Alex senkte die Lider. Eine Möwe kreiste über dem Kanal, dann setzte sie mit einem heiseren Schrei auf dem Wasser auf.
Alex seufzte.
»Sie hat so ein paar Sachen gesagt, okay?«, sagte er schließlich.
»Und?«, sagte Angelien.
»Sie meinte, man könne mit Dad nicht zusammenleben«, fuhr Alex fort. »Dass er sie nicht in Ruhe lassen würde. Dass er sie kontrollieren will. Aber so war das gar nicht. Wir waren wirklich glücklich.«
»Vielleicht war deine Mutter ja nur gut darin, nicht zu zeigen, wie unglücklich sie war.«
Alex schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Es war nur eine Ausrede, um abzuhauen und irgendwo ein neues Leben anzufangen und nicht mehr an uns zu denken.«
Angelien sagte nichts dazu. Sie waren an einer Brücke stehen geblieben, und eine Barkasse
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