Dead Man's Song
ungewöhnliche Kombination, nicht wahr, und ich würde mich ganz sicher an etwas so Abartiges erinnern, wenn es mir je untergekommen wäre. Allerdings könnte er sich die Messernarbe schon vor der Tätowierung eingefangen haben. Viele von diesen Kerlen haben ihre Tätowierungen aus dem Knast. In diesem Fall wären nicht beide Merkmale im Computer verzeichnet, klar? Hier unten haben wir jede Menge Messernarben. Ist Ihr Mann Chicano?«
»Nein. Ein Jamaikaner namens John Bridges.«
»Na ja, wir haben hier auch an die zweitausend Jamaikaner, also wer weiß? Was hat dieser Kerl getan?«
»Möglicherweise zwei Leute umgebracht.«
»Gefährlich, hm?«
»Ja, gefährlich.«
»Das muß doch weh tun, nicht wahr?« sagte Walman. »Sich etwas auf den Schwanz tätowieren lassen?«
Er rief eine Stunde später zurück und berichtete, er hätte das gesamte System - Stadt und Staat - nach einem Kriminellen namens John Bridges durchforstet und nichts gefunden. Wie schon erwähnt gab es im Staat Texas eine Menge Leute mit Messernarben im Gesicht, und wenn Carella von jedem Kriminellen mit einer solchen Narbe einen Ausdruck haben wolle, würde er sie ihm gern faxen. Aber keiner der Kerle mit einer Messernarbe hatte einen tätowierten Schwanz. Einer der Oldtimer im Revier könne sich jedoch an einen Typ erinnern, der die amerikanische Flagge als Tätowierung auf seinem besten Stück gehabt hatte, falls das eine Hilfe war. Sie flatterte im Wind, wenn er eine Erektion hatte. Aber er glaube, der Typ säße zur Zeit in Angola, drüben in Louisiana, eine Strafe ab. Abgesehen davon tat es Walman leid, daß er keine größere Hilfe sein konnte. Carella bat ihn, die Fotos der Gesichter mit den Messernarben zu faxen, und bedankte sich für seine Bemühungen.
Sie waren wieder genau dort, wo sie am Morgen des 29. Oktober, als der Notruf einging, gewesen waren.
4
Drei Flughäfen versorgten die Hauptstadt und Umgebung. Vom größten, draußen auf Sand Spit, starteten an den meisten Wochentagen drei direkte und sechs Anschlußflüge nach Houston. Vom stadtnächsten Flughafen gab es neun direkte und elf Anschlußflüge. Auf der anderen Seite des Flusses, im Nachbarstaat, startete von sechs Uhr zwanzig morgens an praktisch jede Stunde ein Direktflug. Das waren insgesamt einundzwanzig Nonstop- und Anschlußflüge allein von diesem Flughafen. Insgesamt machte das fünfzig Flüge nach Houston an fast jedem Tag der Woche. Dieses Houston, Texas, war eine geschäftige Stadt.
Am frühen Mittwoch morgen, dem 10. November, begannen zwölf Detectives mit der Überwachung der Check-in-Schalter der Fluggesellschaften Continental, Delta, US Airways, American, Northwest und United Airlines und hielten Ausschau nach einem Jamaikaner mit einer Narbe im Gesicht, der mit einem Direktflug zum Houston-Intercontinental oder zum Houston-Hobby wollte oder der einen Anschlußflug über Charlotte, Dallas/Fort Worth, New Orleans, Detroit, Chicago, Memphis, Atlanta, Cleveland, Pittsburgh oder Philadelphia nahm. Keiner der Männer, die eine der Maschinen bestiegen, entsprach der Beschreibung, die Harpo Hopwell ihnen gegeben hatte.
An diesem Tag starteten noch eine Menge anderer Flüge.
»Wer hat hier die Leitung?« fragte der Assistent des Leichenbeschauers.
Ollie streifte ihn mit einem schrägen Blick. Er war der einzige mit einem golden und blau emaillierten Detectiveabzeichen an seinem Revers; wer zum Teufel sollte hier also wohl die Leitung haben? Die beiden einzigen anderen Cops am Tatort waren zwei Uniformierte, die mit ziemlich unschlüssigen Mienen herumstanden und sich die Füße platt traten. Glaubte der Mann etwa, daß mittlerweile Uniformen sich mit Mordfällen befaßten?
Oder hatte der Mann vielleicht vergessen, daß er und Ollie schon früher zusammengearbeitet hatten? Ollie konnte sich das nicht vorstellen. Er hielt sich nicht für einen Menschen, den man schnell vergaß. Arbeitete der Mann vielleicht jeden Tag mit Detectives zusammen, die so fett waren wie Ollie? Der Mann mußte einfach wissen, daß der dicke Detective in dem auffälligen Sportsakko hier die Leitung hatte. Oder tat er so, als würde er Ollie nicht kennen, weil er nicht wollte, daß Ollie glaubte, er erinnere sich nur deshalb an ihn, weil er so dick war? Wenn ja, dann war das absoluter Blödsinn. Ollie wußte, daß er fett war. Er wußte auch, daß die Leute ihn hinter seinem Rücken Fat Ollie nannten, und betrachtete es als einen Ausdruck von Respekt, daß ihn aber
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