Dead Man's Song
keine Ruhe gelassen.«
Sie hielt einen Moment lang inne und sagte dann: »Außerdem habe ich mich vergangene Woche von ihm getrennt.«
Der verantwortliche PIN-Deputy-Chief wurde von Lieutenant Byrnes vom 87. Revier irgendwo in der Hölle der Wohnviertel darüber informiert, daß einer seiner Detectives mit einer Frau gesprochen hatte, die behauptete, einen der Schützen des Pizza-Dramas zu kennen, aber keinerlei Information über ihn weitergeben wolle, bis man ihr verbindlich zugesagt habe, daß sie die Belohnung erhalten würde, sobald der Betreffende unter Anklage gestellt wurde. All das kam ein wenig atemlos und überstürzt aus Byrnes Mund, der, um die Wahrheit zu sagen, ein wenig aufgeregt über das war, was Kling mit nach Hause gebracht hatte.
»Für wen hält die sich, verdammt noch mal?« fragte der Deputy Chief.
»Vielleicht sollten Sie mal mit den Leuten von Guido’s reden«, schlug Byrnes vor.
»Sie werden nein sagen«, meinte der Deputy Chief.
Er irrte sich.
Die Manager bei Restaurant Affiliates, die eine brillante Publicity-Idee auf Anhieb erkannten, stürzten sich sofort darauf. An diesem Tag schenkte das Fernsehen - in dem eine Minute Werbung Hunderttausende Dollars kostete -, und zwar alle fünf großen Sender und die meisten Kabelkanäle, der Nachricht zwei Minuten, daß RA, Inc. den potentiellen Mängeln des Strafrechtssystems Rechnung trug und ihr Angebot modifizierte. Falls jemand Informationen lieferte, die zur Verhaftung und Anklage der Schützen führten, sollten die fünfzigtausend Dollar ihnen gehören.
Den Werbeleuten von RA, Inc. mag verziehen sein, daß sie das im Singular erscheinende »jemand« mit der Pluralform »ihnen« verbanden, denn sie verkauften ein Produkt und wollten auf keinen Fall irgendwelche Feministinnen verärgern, die sich gegen das grammatisch korrekte, aber politisch unkorrekte »ihm« hätten wenden können. Es war viel zu umständlich zu sagen, die Belohnung solle »ihr oder ihm gehören«. Da war es schon einfacher, »ihnen« zu sagen, weil die grammatisch korrekte Lösung ohnehin niemanden auch nur im mindesten interessierte. Aber die Journalisten, die über das modifizierte Angebot berichteten, hätten es eigentlich besser wissen müssen. Statt dessen übernahmen sie den Text der Pressemeldung der Werbeagentur Wort für Wort und machten sich zu Komplizen bei diesem Vergehen. Um ihre Unterstützung noch weiter zu treiben, schlossen die meisten ihre Berichte mit dem Slogan, für dessen Popularisierung RA, Inc. im Laufe der Jahre Millionen bezahlt hatte: »Komm rüber zu Guido’s auf eine nettere Pizza!«
In Betty Young hatte sich genügend Bitterkeit und Zorn angesammelt, um die ganze Welt zu hassen. Mit zweiunddreißig geschieden, nach elf Jahren scheinbar glücklicher Ehe mit einem Börsenmakler, der mit einer hawaiianischen Touristin, die sich die Stadt ansehen wollte, in den Pazifik verschwand …
»Die war nur an einem Kerl interessiert, und nicht an Kultur«, meinte Betty dazu.
… hatte sie schließlich den Mann kennengelernt, den sie, wie sie annahm, vorbehaltlos lieben konnte. Dies geschah im vergangenen März, als Maxwell Corey Blaine, ein solider siebenunddreißig Jahre alter weißer Knabe aus Grits, Georgia, die Steuerberatungspraxis, in der sie arbeitete, betrat, weil er Hilfe beim Abfassen seiner Einkommensteuererklärung brauchte. Wie es aussah, arbeitete Maxie in einer Poolhalle oben in Hightown, einer vorwiegend dominikanischen Gegend der Stadt. Doch das kam Betty zu dem Zeitpunkt in keiner Weise seltsam vor, da sie das toleranteste menschliche Wesen war, außer wenn sie es mit Betrügern zu tun hatte. »Die können mir beide für immer gestohlen bleiben«, meinte sie.
Maxies Titel in der Billardhalle war »Tischwart«. Es fiel ihm ziemlich schwer, Betty den Job genau zu beschreiben, aber offenbar erforderte er derart spezielle Fähigkeiten, daß er ihm ein Einkommen von dreitausend Dollar die Woche einbrachte. Sein Arbeitgeber, ein gewisser Enrique Ramirez, führte pflichtgemäß den geforderten Steueranteil für Maxie ab, als der Termin heranrückte, doch das war gar nicht das Problem. Offenbar wollte der Staat Georgia, daß Maxie eine Steuererklärung für das vergangene Jahr abgab, in dem er nicht nur stellungslos gewesen war, sondern auch im Gefängnis gesessen hatte. Maxie war sich nicht sicher, ob der dürftige Lohn, den er in der Gefängniswäscherei mit der Reinigung der Gefängniskluft seiner Mitinsassen verdient
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