Dead Man's Song
hatte, als steuerpflichtiges Einkommen zu betrachten war. Betty verwies ihn an einen der jüngeren Steuerberater der Firma, der diese und andere Fragen zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten klärte - aber das war eine andere Geschichte.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, fand Betty Maxies Gefängnisstrafe irgendwie aufregend. Er war ins Staatsgefängnis von Reedsville gesteckt worden, und zwar wegen, wie es in Georgia genannt wurde, »schwerer Körperverletzung«, ein Vergehen, das mit Zuchthaus von ein bis zwanzig Jahren bestraft wurde. Er war im Januar auf Bewährung vorzeitig entlassen worden und hatte den Staat sofort in Richtung Norden verlassen, an sich auch ein Verstoß gegen bestehende Vorschriften, aber zum Teufel mit Georgia, er hatte hier oben seine süße kleine Zuckerschnecke gefunden.
»Er nannte mich seine süße kleine Zuckerschnecke«, erzählte Betty.
Sie zog am 16. April mit ihm zusammen, einen Tag nachdem er seine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte. Er gestand ihr ziemlich früh, daß er ins Gefängnis geschickt worden war, weil er jemandem das Rückgrat gebrochen hatte, der einem Glücksspieler in Atlanta, für den Maxie damals arbeitete, Geld schuldete. Der Mann war jetzt von der Hüfte abwärts gelähmt, aber das war nicht Maxies Schuld, da er ihn nur zum Bezahlen hatte animieren und nicht für den Rest seines Lebens zum Krüppel hatte machen wollen, eine Version, die der Bezirksstaatsanwalt von Fulton County ihm nicht abgekauft hatte.
Wie Betty zugeben mußte, hatte Maxies Körpergröße etwas Furchteinflößendes - aber zugleich auch Aufregendes. Sie schätzte ihn auf einsneunzig, und er wog um die zweihundertzehn Pfund. Überall hatte er nur Muskeln, und seine Arme und Schultern waren mit Gefängnistätowierungen bedeckt. Es war vermutlich seine Körpergröße, die ihn dazu brachte, sich eine Arbeit ähnlich der in Atlanta zu suchen. »Tischwart« war, wie sich herausstellte, ein Euphemismus für »Vollstrecker«, bestand Maxies Job doch darin, jeden unbotmäßigen Drogendealer, der es versäumte, Ramirez das Geld zu zahlen, das er ihm schuldete, zur Räson zu bringen. Ramirez handelte mit Kokain - und, laut Betty, mit allen möglichen »Designerdrogen« - und stand mit dem kolumbianischen Kartell in enger Verbindung. Seine Position war weit über der der triefnasigen Verkäufer, die wie Kakerlaken die Straßen in den Wohngebieten der Stadt bevölkerten, jedoch alles andere als auch nur in der Nähe der unerreichbaren oberen Ränge der Drogenszene.
Irgendwann im Oktober erfuhr Maxie, daß ein Polizeispitzel und Gelegenheitskurier namens Danny Gimp Ramirez gründlich verärgert hatte. Offenbar hatte ein Dealer in Majesta sich bereit erklärt, ElJefe - wie Ramirez in einschlägigen Kreisen genannt wurde - zweiundvierzig Riesen für zwei Kilo Kokain zu zahlen. Ramirez übergab Danny das Kokspaket, damit er es auslieferte, doch es fand niemals den Weg nach Majesta. So wie El Jefe es betrachtete, war er nicht nur die Ladung Koks losgeworden, sondern ihm war auch der Profit, den er mit dem Kokain erzielt hätte, vorenthalten worden. Ihm Geld zu schulden, war eine Sache, ihn aber zu bestehlen, eine völlig andere. Das war ein Vergehen, für das es keine Entschuldigung gab. Hier war keine physische Vergeltung nötig, sondern totale Auslöschung.
Am Morgen des 8. November, nach einer Nacht ziemlich heftiger Sexgymnastik, duschte Maxie, zog sich an und erklärte Betty, er wäre mit einem Freund zu einer Pizza verabredet.
»Er grinste, als er das sagte«, erinnerte sich Betty.
Am darauffolgenden Montag abend sah Betty das Video im Fernsehen und glaubte, Maxie als den weißen Schützen bei Guido’s zu erkennen.
»Sie sollten bessere Kameras installieren«, sagte sie. »Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn ich Maxie nicht gekannt hätte, hätte ich ihn auf dem Band niemals identifizieren können.«
Es ergab sich ungefähr eine Woche später während des Frühstücks, daß sie Maxie beinahe offenbart hätte, daß sie ihn auf dem Videoband gesehen und den Verdacht hatte, daß er einer der Männer war, die die Ratte getötet hatten, von der zur Zeit überall geredet wurde. An diesem Morgen stellte sie nämlich die beiläufige Frage: »Übrigens, wie hat dir die Pizza neulich morgens geschmeckt?«
»Verdammt noch mal, wovon redest du?« sagte Maxie.
Vier Tage später zog er mit einer achtzehnjährigen Braut zusammen, deren einziger Vorzug, laut Maxie, der war, daß sie die
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