Dead Man's Song
Aber wenn Sie wollen, daß ich diese Lady für Sie hochnehme, müssen Sie folgendes tun. Erstens wäre es schön, wenn Sie den Jamaikaner mit der Messernarbe und diesem anderen Merkmal finden, über das Sie sich schon die ganze Zeit amüsieren. Aber das wäre zu schön, um wahr zu sein. Da uns der Vollstrecker fehlt - ich wähle diesen Ausdruck, weil wir nach einem Henker und einem Messerhelden Ausschau halten -, sollten Sie besser Beweise finden, die plausibel erklären, wie eine Hausfrau mit einem Rechtsanwalt als Ehemann Kontakt zu einem jamaikanischen Berufskiller aufnehmen kann. Hat sie ihn in Houston angerufen? Oder vielleicht in Kingston? Hat sie ihn aus dem Internet? Oder traf sie ihn in einer Bar? Hat sie ihm ins Gefängnis geschrieben? Bringen Sie mir irgendeinen Beweis, der die beiden zusammenbringt, wer immer er sein mag - und erzählen Sie mir nicht, daß er gar nicht so mysteriös ist, Steve. Ich denke nämlich, daß er verdammt mysteriös ist. Wenn Sie alle wirklich glauben, daß er die Roofers von diesem Typ in Hightown gekriegt hat - und das klingt verdammt weit hergeholt -, sollten Sie rauskriegen, ob es tatsächlich so war, und sich bessere Informationen über ihn besorgen, als Sie sie zur Zeit haben, nämlich etwas, das eindeutig zu ihm führt. Wenn Sie das alles erledigt haben, wissen Sie, wo Sie mich erreichen können. Bis dann, Freunde«, sagte sie, winkte ihnen zu, zog sich wieder die Kapuze über den Kopf und ging hinaus.
Lorraine Riddock konnte ihre Erregung kaum zügeln.
Sie war neunzehn Jahre alt und hatte rotes Haar. Sie studierte im zweiten Jahr an der Ladd-Universität, keine drei Kilometer stadtauswärts, und arbeitete seit Semesterbeginn stundenweise für Reverend Foster. Die meiste Zeit klebte sie Briefumschläge zu und bediente die Frankiermaschine, aber sie hatte den Job angenommen, weil sie politische Wissenschaften studierte und sich leidenschaftlich für das Wahrheits- und Gerechtigkeitsprogramm des Reverends einsetzte. Während der letzten beiden Tage seit der brutalen Mißhandlung von Hector Milagros - hatte Foster ihr gestattet, an einigen Strategiekonferenzen teilzunehmen, und so hatte sie das Gefühl, einiges zu dem Plan beigetragen zu haben, den er an diesem Abend verkünden würde.
Die drei weißen Männer im taktischen Komitee des Reverends nannten sich die »Vorzeigeweißen«, worüber sich sogar Foster amüsierte, obgleich er normalerweise jeden Ausdruck vermied, ob nun für Weiße oder Schwarze, den man als rassistisch betrachten könnte. Es gab Schwarze von der Straße, die das Wort »Nigger« so selbstverständlich benutzten, als stecke darin nicht jahrhundertealter Haß, sondern als sei das Wort eine Anrede wie »Bruder« oder »Schwester«. Hier in den Büros über der Kirche jedoch hatte Lorraine dieses Wort noch nie gehört, ganz sicher nicht von einem der Weißen, aber auch von keinem Schwarzen. Es war ein Wort, das sie selbst in ihrem ganzen Leben noch nie über die Lippen gebracht hatte. Sie nahm kaum wahr - und es war ihr wirklich gleichgültig -, wer von den Versammelten an diesem Tag weiß oder schwarz war, beides ohnehin völlig falsche Bezeichnungen. Weiß war die Farbe von Schnee, und schwarz war die Farbe von Kohle. Niemand hier war auch nur annähernd schneeweiß oder kohlrabenschwarz.
»Sie sind jetzt bereit für Sie, Rev«, sagte jemand, und Lorraine drehte sich um und sah, wie Walter Hopwell vom mobilen Fernsehteam herüberkam. Er trug die Kluft, die sein Markenzeichen war: schwarze Jeans, einen schwarzen Rollkragenpullover und darüber einen hellbraunen Sportsakko. Sein kahler Schädel schien nur unwesentlich schwächer zu glänzen als der goldene Ohrring in seinem linken Ohrläppchen.
»Die Elf-Uhr-Nachrichten«, flüsterte jemand hinter ihr.
Lorraine schaute auf die Uhr. Es war jetzt kurz vor neun, daher mußte das ein Mitschnitt sein. Hopwell reichte Foster eine Haarbürste, die er ablehnte.
»Die Blumen sehen ein wenig verwelkt aus, Rev«, stellte einer der Helfer fest. »Vielleicht sollten Sie nicht so nahe herangehen.«
Foster machte ein paar Schritte zur Seite und bewegte sich dabei genauso elegant und fließend wie der Boxer, der er früher gewesen war. Er fand einen Platz, in dessen Nähe ein gerahmtes Foto von Martin Luther King an der Wand hing. Eine Blondine in einer dunkelblauen Jacke und einem grauen Rock machte ein paar Schritte auf ihn zu und sprach in ihr Mikrofon: »Brauchen wir noch eine weitere Probe?« Und dann
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