DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
gemacht. Er konnte ihnen oder sich selbst nicht länger etwas anhaben.
Aber es war eine Schande, dachte Cook, dass es überhaupt so weit kommen musste.
Wo soll das alles nur enden?
»Wenigstens können wir jetzt durchatmen und uns etwas ausruhen«, sagte Menhaus, klang aber nicht besonders sicher. »Wir können reden – und überlegen, wie wir hier herauskommen.«
»Es gibt kein Entrinnen«, flüsterte Crycek. »Noch nicht, womöglich nie. Wir treiben – spürt ihr es nicht? Wir werden immer tiefer hineingezogen.«
Da war etwas dran, wie die anderen zugeben mussten. Wo vorhin noch Algenflächen in vereinzelten kleinen Flecken und Klumpen vorbeitrieben, schwammen jetzt große Algenteppiche. Noch war das Wasser größtenteils frei, aber die Inseln aus Seetang waren so groß, dass man ihr Ende nicht erkennen konnte. Sie verschwanden im Nebel wie Landzungen. Massiv und dick, dampfend und wuchernd. Sie stanken nach Dschungelsümpfen.
»Er hat recht. Crycek, meine ich. Wir werden alle sterben«, sagte Saks beinahe vergnügt. »Jeder Einzelne von uns. Seht euch diese Algen an – früher oder später fangen sie uns ein, und das ist dann das Ende vom Lied.«
»Verflucht, halt die Klappe«, giftete Fabrini.
»Du musst mich schon erschießen, wenn du mich zum Schweigen bringen willst«, grinste Saks.
Fabrini sah aus, als ziehe er den Vorschlag ernsthaft in Erwägung.
»Denkbar«, fuhr Saks fort, »dass sich der Algenteppich eines Tages wieder teilt und dieses Rettungsboot genauso heraustreibt, wie es hineingetrieben ist – aber dann werden nur noch fünf Skelette darin sitzen. Hat’s alles schon gegeben. Einmal ist ein Schiff für drei Jahre verschwunden, dann tauchte es eines Tages wie aus dem Nichts wieder auf und ...«
»Soll ich ihn knebeln?«, fragte Fabrini.
Cook hatte jetzt offenbar die Führungsrolle geerbt. Er machte von ihnen allen den besonnensten Eindruck. »Ich weiß nicht. Überlassen wir es Saks. Was meinst du, Arschloch, müssen wir dich knebeln oder wirst du brav sein?«
Saks schwieg, aber der Ausdruck düsterer Gewissheit blieb auf seinem Gesicht, auch der tollwütige Glanz des Wahnsinns verschwand nicht aus seinen Augen. Feste Größen, auch wenn die anderen versuchten, es nicht zu sehen. Aber es war nicht leicht, dem Wahnsinn ins Auge zu sehen und seine Auswirkungen zu ignorieren. Zu wissen, dass er unter den richtigen Bedingungen jeden packen konnte, jederzeit.
Und niemand wusste das besser als Cook.
Niemand auf der ganzen Welt.
Er hatte es an dem Tag gespürt, als er seinen Vater tötete. Dieses blendende, weißglühende und gleichzeitig eiskalte, langsame Brennen des wahren Irrsinns, egal ob er nur als Anfall kam oder für immer blieb. Und solange man ihn nicht erlebt und gekostet hatte, nicht seinen Magen damit gefüllt hatte, so lange konnte man nie einschätzen oder beurteilen, wie hässlich er wirklich war. Denn wenn man ihn einmal gekostet hatte, bekam man diesen widerlichen Geschmack nie wieder aus dem Mund.
Cook gefiel es nicht, dass er jetzt den Part des Anführers übernehmen sollte. Er hätte eine demokratischere Art der Entscheidungsfindung bevorzugt, einen Rat, der aus ihm, Fabrini und Menhaus bestand. Vielleicht sogar aus Crycek, denn hin und wieder kamen durchaus vernünftige Sachen von ihm. Aber es sollte wohl nicht so sein. Sicher, Fabrini war stärker und durchtrainierter als er. Menhaus war mehr herumgekommen, hatte mehr Erfahrung. Und Crycek – mal abgesehen von seinem Geisteszustand – gab einen hervorragenden Seemann ab. Und doch schienen sie in Cook ihren neuen Anführer zu sehen. Offenbar hatte er nun das Sagen, ob er wollte oder nicht.
Alles, was er wollte, war schlafen.
Er fühlte sich todmüde – aber er wagte es nicht, die Augen zu schließen. Er musste Saks im Auge behalten, und zwar unentwegt. Wenn es Ärger gab, dann aus seiner Richtung.
Das dachte Cook zumindest.
Und dann traf etwas das Boot.
Und traf es noch einmal.
32
Soltz war sich völlig sicher. »Ich weiß, was ich gehört habe«, versicherte er Gosling und den anderen. »Ein Schuss. Ich habe ein besseres Gehör als ihr. Ich weiß, was ich gehört habe.«
Auch Gosling hatte etwas bemerkt, genau wie die anderen. Eine Art gedämpftes Knacken in der Ferne. Es mochte ein Schuss gewesen sein – oder etwas anderes.
»Lasst es uns noch einmal mit dem Funkgerät versuchen«, schlug Cushing vor. »Mal sehen, ob wir etwas empfangen – eventuell hat jemand versucht, uns ein Signal zu
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