DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
beunruhigt.
»Sieht noch genauso aus«, meinte Cushing, aber es klang so, als könnte er es selbst nicht glauben.
George wurde plötzlich bewusst, dass er sich ganz steif fühlte. All seine Muskeln waren angespannt und verkrampft, seine Augen weit aufgerissen, der Atem flach. Seine Ohren horchten und sein Verstand war komplett leer bis auf das Schiff vor ihnen. Auch er spürte es. Das Schiff hatte sich verändert. Aber wie? Er konnte es nicht in Worte fassen, aber etwas daran, etwas an der Aura des Schiffs, hatte Schaden genommen. Es fühlte sich nicht richtig an. Noch wehrte er sich dagegen, das, was er spürte, auf eine latente übersinnliche Begabung zurückzuführen, die irgendwo in den Tiefen seines Seins schlummerte, aber etwas in dieser Richtung musste es sein. Nur schwach ausgeprägt, aber dennoch vorhanden. Irgendein urzeitlicher Instinkt, der ihm riet, sich in Acht zu nehmen, weil etwas Schlimmes bevorstand.
Menhaus sagte ganz ruhig: »Etwas ist geschehen, nachdem wir aufgebrochen sind. Etwas ... etwas ist hier gewesen, nachdem wir gegangen sind.«
Cushing schien es nun auch zu spüren. Er schluckte und schluckte noch einmal. »Sehen wir nach, was es war.«
23
An Bord wurde George vom Gefühl der Bedrohung regelrecht elektrisiert. Es war hier, etwas war hier. Es musste durch den Nebel gekommen sein und hatte ... er wusste nicht was, aber etwas hinterlassen. Und die Atmosphäre des Schiffs fühlte sich definitiv anders an. Ein Eindruck der Entweihung, fast greifbar. George wusste es auf die gleiche Weise, wie man es wusste, wenn etwas, das einem sehr vertraut war, von groben Händen angefasst wurde, von Händen, die keine Berechtigung hatten, es anzufassen. Als sei jemand in der Wohnung gewesen und hätte alles berührt und zurück an seinen Platz gestellt, aber um Millimeter verschoben – sodass nur man selbst es bemerkte.
Sie standen an Deck. Nebelfinger strichen um ihre Beine wie hungrige Katzen. Der Nebel leuchtete und pulsierte hinter ihnen. Wenn man diese Szene mit Musik unterlegen wollte, dachte George, würde man eine gezupfte Violine nehmen, die Saiten um eine oder zwei Oktaven verstimmt.
Als Erstes fiel ihnen das hintere Schott der Hauptkajüte auf, das ganz schwarz war. Als Menhaus es vorsichtig mit der Axt berührte, platzten Stücke davon ab, so als sei es in einem Feuersturm verkohlt worden.
»So wie Fabrini es auf der Cyclops gelesen hat«, meinte George. »Auf diesem schwedischen Schiff, das im Logbuch erwähnt wurde.«
»Dänisch. Korsund hieß es. Es kam aus Kopenhagen.«
Mehrere Sektionen des Decks waren schwarz verkohlt, und vom Hauptmast hing ein schmieriges, pilzartiges Geflecht. Es leuchtete in einem schillernden Licht, das von innen zu kommen schien.
Auch das entging ihnen nicht.
Sie stiegen nach unten.
An den Wänden des Niedergangs hafteten Klümpchen einer phosphoreszierenden Substanz, als hätte sich hier etwas Großes hindurchgezwängt und dabei an Decke, Boden und Wänden gerieben.
»Berührt das Zeug lieber nicht«, riet Cushing.
Sie gelangten in den Salon. Alles verbrannt. Der Teppich nichts als Asche unter ihren Füßen. Elizabeth nahm alles mit unbewegter Miene auf. Ihre Brust hob und senkte sich in schnellem Rhythmus, die rechte Hand hielt den Griff der Machete fest umklammert. Ihre Lippen bildeten eine schmale, gerade Linie.
Tante Elsie fanden sie als Erstes.
Sie würde keine juristischen Anträge mehr formulieren. Sie würde gar nichts mehr tun. Sie lag in ihrer Koje. Ein verzerrtes, eingeäschertes kleines Etwas. Der Geruch nach verbranntem Fleisch schien unerträglich.
Elizabeth würgte und wandte sich ab.
Auch George drehte sich der Magen um, aber er sah lange genug hin, um zu bemerken, dass die Laken unter ihr nicht im Geringsten versengt waren. Als hätte man Tante Elsie in einen brennenden Hochofen geworfen, dann herausgefischt und zurück in ihre Koje gelegt. Aber sie alle wussten, was vorgefallen war und dass es nichts mit Hitze zu tun hatte. Jedenfalls nicht mit Hitze, wie sie sie kannten.
Und dann fanden sie Crycek.
Ihr Gefährte war nicht tot, aber so gut wie. Er hatte schwerste Verbrennungen davongetragen, doch sein Gesicht schien mehr oder weniger unversehrt. Sein Haar hatte sich weiß verfärbt, seine Augen ebenfalls. Er lag in seiner Koje und keuchte und sabberte und hustete Schleimklumpen aus, die von einem Leuchten überzogen wurden wie der Pilz oben an Deck. Eine furchtbare Veränderung war mit ihm vorgegangen. Nicht nur seine
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