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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Curran
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Augen, die aussahen wie vom Dampf geweißte Spiegel, oder der schimmernde Schleim, der aus seinem Mund lief. Nein, weit mehr als das. Denn Crycek sah aus, als sei er um hundert Jahre gealtert, als sei er mit einer solchen Gewalt in unvorstellbare Höhen hinaufgerissen worden, dass die Reibungshitze nichts als kümmerliche Reste von ihm übrig ließ.
    Er konnte sie nicht sehen, aber er wusste, dass sie da waren. »Oh ja, oh ja, ja, ja, ja, ja, es kam, als ihr fort wart ... es kam mit Farben und Feuer und Augen und Eis ... es kam und kam ...«
    George hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, denn er wollte diese Obszönitäten nicht hören. Er wollte nicht spüren, wie sie sein Gehirn durchbohrten und ihn an zu vielen Stellen zugleich aufrissen. Denn in der Dimension X gab es vieles, wogegen man kämpfen konnte, aber auch Anderes – Geister und Abscheulichkeiten und krabbelnde, unheilige Materie –, gegen das man keine Chance hatte. Wo blieb da die göttliche Vorsehung?
    Crycek redete weiter, abwechselnd plappernd und stöhnend. Dabei stieß er hohe, irrsinnige Laute aus, die kein gesunder Geist hervorbringen konnte. »Ihr ... ihr solltet es sehen ... oh, es ist so kalt ... so grell und heiß und kalt und feucht und trocken ... es zerrt einen in seinen Geist und in die Dunkelheit hinein ... die sengende, frostige Schwärze der Ewigkeit ... oh, oh, oh, ihr werdet sehen ... ihr werdet es spüren, und es wird euch spüren ...«
    Dann starb er.
    Mitten in seinem Geplapper wurde er steif wie ein Brett und blieb auch so.
    Keiner schien sich mehr rühren zu können. Sie waren so leblos wie Cryceks Leiche. Sie konnten sich nur gegenseitig ansehen oder sich nicht ansehen und nur die anderen spüren, das schwere eiserne Gewicht auf ihren Seelen; spüren, wie die Unentschlossenheit sie in Statuen und Schaufensterpuppen und schweigende, unbewegliche Gegenstände verwandelte.
    Außer Cushing.
    Cushing wusste – wie die anderen es eigentlich auch wussten –, dass es zu gefährlich war, hierzubleiben; dass jeder verstreichende Moment zellularen Tod und chromosomalen Selbstmord bedeutete. Als stehe man in einer heißen Bratpfanne und warte darauf, dass man anfing zu zischen und zu brutzeln wie saftige Speckstreifen.
    »Wir müssen hier raus«, sagte er und nahm Elizabeth bei der Hand. »Berührt nichts, fasst nichts an. Das ganze Schiff ist radioaktiv verseucht ...«
    Benommen und wortlos ließen sie sich von ihm hinaus in den Nebel und zum Sumpfboot führen. Und dann brachten Cushing und Menhaus sie weg von der Mystic, nunmehr kaum weniger verstrahlt als ein undichter Reaktorkern. Und Cushing murmelte immer wieder: »Der Fallout ... mein Gott, der Fallout, der schwarze Regen ...«
    24
    Nun waren sie also noch zu viert. Nicht gerade viele, aber immerhin. Ein kollektiver Geist, eine kollektive Kraft, ein letzter noch arbeitender Muskel der Menschheit an diesem gottlosen Ort, dieser Dimension X, diesem toten Meer, diesem grässlichen, albtraumhaften Ort der zerrissenen Schleier hinter dem vernebelten schwarzen Spiegel. Ja, sie waren ursprünglich viele gewesen, doch dieser Ort hatte sie zerhackt wie Brennholz und wie Späne und Splitter in alle Richtungen verstreut. Und jetzt gab es nur noch diesen letzten funktionsfähigen Muskel, voller Wut und Entschlossenheit und erfüllt von einer letzten verzweifelten Hoffnung, bevor die Dunkelheit ihn überwältigte. Und sie würden diesen Muskel einsetzen, diesen Ort schmieden wie heißes Metall, ein Loch hineinhämmern, ihn für sie arbeiten lassen. Bevor dieses andere kam, bevor dieser Teufel des Nebels und der Antidimensionen das Fleisch von ihren Seelen fraß, wollten sie sich wehren.
    Ein letztes verzweifeltes Mal.
    Denn das war alles, was sie hatten und jemals haben würden.
    Also ruderten sie hinaus in den verderblichen Nebel, kämpften sich durch den Schiffsfriedhof, rackerten sich durch den Seetang, verflochten und verfilzt wie Dschungelvegetation, und wichen den Gerippen der toten Schiffe aus, bis sie den Weg in die Kanäle fanden, die Greenberg auf seiner Karte eingezeichnet hatte. Da begann erst die eigentliche Arbeit, und sie ruderten das Sumpfboot mit Eile und Entschlossenheit, trieben es voran durch die Kanäle aus brackigem Wasser und hinaus in die gespenstische Einöde des Äußeren Meers.
    Und irgendwo vor ihnen, näher rückend wie ein zum Zuschnappen bereites Maul, lag die Lancet und noch ein Stück voraus das legendäre Meer der Schleier.
    Sie kamen näher und

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