DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
ihn sonst im Sinken mit in die Tiefe riss. Überall im Wasser trieben Wrackteile. Es glich einem Hindernisparcours. Er hörte Stimmen rufen. Andere Stimmen antworteten. Wenigstens waren sie nicht allein in ihrer Misere. Das Meer wirkte flach wie eine Tischplatte ... aber das Wasser selbst – das Wasser war merkwürdig. Nicht nur warm, sondern ... dick, fast wie aufgequollen. Es war Wasser, aber kein Wasser, wie George es kannte. Doch jetzt fehlte die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Er bemühte sich, mit Gosling mitzuhalten, und schon bald zeichnete sich das Schiff nur noch als brennende Silhouette in der Ferne ab.
»Ist okay«, keuchte Gosling. »Weit genug.«
George beobachtete das Ende der Mara Corday .
Noch immer schien der Nebel allgegenwärtig zu sein, aber die Sichtverhältnisse hatten sich verbessert. Das Schiff besaß jetzt so viel Schlagseite, dass das linke Seitendeck praktisch das Wasser berührte. Mit einem lauten Dröhnen stiegen riesige Blasen empor, und der Korpus richtete sich auf – für eine Sekunde. Dann sank der Bug tiefer und tiefer, Wellen stiegen auf und überspülten ihn. Das Heck hob sich senkrecht in die Luft wie ein mahnender schwarzer Zeigefinger, dann tauchte es mit einem gewaltigen Zischen und einem alles verschlingenden Wirbel in die Tiefe. Einige Momente später ploppten Fracht und Treibgut an die Oberfläche.
George rang entsetzt nach Atem. »Mein Gott«, keuchte er.
Und dann gab es nur noch den bedrückenden Nebel von allen Seiten und diese tot geborene, gezeitenlose See.
Teil Zwei:
Das Meer
1
George glaubte als Erstes, dass er und Gosling hier draußen ganz allein waren.
Als Zweites folgte ein Gefühl: Panik.
Und das erweckte in ihm den beinahe unwiderstehlichen Drang, zu schreien und um sich zu schlagen wie ein kleines Kind, das in der Badewanne ertrinkt. Aber langsam, ganz langsam bekam er sich wieder in den Griff. Gosling war bei ihm. Ein erfahrener Seemann. Wenn jemand dafür sorgen konnte, dass er überlebte und wieder festen Boden unter die Füße bekam, dann der Erste Offizier. Das verschaffte ihm ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Nicht direkt etwas, in das man sich einkuscheln und einmummeln konnte, aber besser als nichts.
Von Zeit zu Zeit hörten sie Stimmen in der Ferne, aber wenn sie riefen, kam keine Antwort. Immer mal wieder flackerte Licht von vorbeitreibenden brennenden Wrackteilen auf, aber nach und nach erlosch es. Und dann war da nur noch der ewige Nebel, dicht und wabernd. Noch immer leuchtete er auf diese merkwürdige Weise, als werde er vom Strahl eines fernen Leuchtturms erhellt. Aber zumindest spendete er ein schwaches Dämmerlicht.
Gerade genug, fand George, dass alles um sie her seltsam und surreal aussah.
Und gruselig .
Es gab kein anderes Wort, um es zu beschreiben. Denn genau so wirkte es hier draußen in diesem Nebel mit seinem eigenartigen Leuchten: gruselig.
George gab sich alle Mühe, nicht in Panik zu geraten, aber unterm Strich sah es so aus, dass sie mitten im gottverdammten Nirgendwo trieben, ohne Rettungsboot oder Floß. Außerdem war es Nacht, und bis zum Tagesanbruch drohten sich ihre Schwimmwesten vollzusaugen. Sie würden ertrinken. Jedenfalls, wenn die Haie sie nicht vorher erwischten. Seine Fantasie hatte sich diesen speziellen Albtraum bereits in allen Einzelheiten ausgemalt. Er erinnerte sich an Szenen aus diesem Film mit dem riesigen menschenfressenden Hai. Er fragte sich, wie es sich anfühlen mochte, wenn sich die Haifischzähne in seinen Körper gruben. Erwischte ihn ein großes Biest, das ihn am Stück verschlang, oder ein kleinerer Hai, der ihm nur ein Bein abbiss? Er hatte einmal eine Dokumentation gesehen, in der ein Hai genau das mit einem Schiffbrüchigen angestellt hatte: Immer wieder schwamm er zu seinem Opfer, um weitere Stücke abzubeißen.
Oh Gott.
Das hier passiert gar nicht wirklich, dachte er verzweifelt. So was passiert nur in Filmen, die spät nachts im Fernsehen laufen. So was passiert keinem normalen Typen wie mir, der Bulldozer fährt, um seine Brötchen zu verdienen und die Gläubiger in Schach zu halten ...
»HILFE!«, schrie er. »IST DA JEMAND? VERDAMMTE SCHEISSE NOCH MAL, ANTWORTET MIR ENDLICH!«
Keine Antwort. Nur die brütende Stille. Und dieses seltsame Summen, dass er hin und wieder hörte.
»Fühlen Sie sich jetzt besser?«, fragte Gosling. »Gut. Und jetzt hören Sie um Gottes willen auf damit. Noch sind wir nicht tot.«
George trat Wasser, als würde er der Schwimmweste
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