DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
»Sicher. Warum nicht? Warum sollte ich nicht verrückt sein? Noch einen oder zwei Tage, und ihr werdet genauso bekloppt sein wie ich! Oh ja, ja, ja.«
Saks schlug mit der Faust auf seinen Sitz, und alle fuhren zusammen. »Es reicht«, sagte er. Er holte das Messer heraus, das er Hupp abgenommen hatte – ein Fahrtenmesser mit 18 Zentimeter langer Klinge. Alle sahen den Stahl, und alle bemerkten den Blick in seinen Augen. »Wenn nicht sofort jemand, irgendjemand, diesen verdammten Spinner zum Schweigen bringt, schneide ich ihm seine gottverdammte Zunge raus.«
Crycek war mittlerweile über jede Angst hinaus. Er lachte laut, bis ihm Tränen über die Wangen liefen. Dann stieß er einen winselnden Laut aus, der sich in ein abgehacktes, schauriges Lachen verwandelte. »Du glaubst, ich bin verrückt, Saks? Sicher, sicher, sicher, hihihi, verrückt bin ich! Na und? Aber ich sag euch eins, und ich sag’s nur einmal: Ihr seid alle in Gefahr. Und nicht nur wegen der Viecher. Es ist nicht nur das, was im Wasser lauert, denn diese Welt – diese Zone oder Dimension oder was zum Henker es sonst sein mag – unterscheidet sich gar nicht so sehr von unserer. Denn genau wie zu Hause gibt es auch hier, oh ja, auch hier einen Teufel!«
Und sogar Saks, der sich gerade mit dem Messer auf Crycek stürzen wollte, erstarrte bei diesem Satz. Cook wusste, dass keiner von ihnen in der Lage gewesen wäre, ihn aufzuhalten, aber Cryceks Worte hielten ihn auf. Hielten sie alle auf. Eine Kälte durchfuhr sie, ließ sie erschauern und trieb sie dazu, in den wabernden Nebel hinauszuschauen und sich zu fragen, ob da etwas zurückschaute .
Menhaus atmete schwer. »Ich will hier doch nur raus«, sagte er. »Ich will nach Hause. Mehr will ich doch gar nicht.«
»Fragt Cook«, fuhr Crycek fort. Seine Stimme klang jetzt tot und ausdruckslos. »Na los, fragt ihn. Fragt ihn, warum er Angst hat, das Funkgerät anzuschalten, warum er Angst hat, etwas zu senden. Fragt ihn.«
Alle sahen Cook an. Aber der schüttelte nur den Kopf. »Ich weiß nicht, wovon er redet.«
Aber in ihren Augen konnte er sehen, dass sie ihm nicht glaubten.
»Sag’s ihnen, Cook«, forderte Crycek ihn auf. »Sag ihnen, warum dir dieses Rauschen im Funkgerät nicht gefällt, sag ihnen, dass du da draußen etwas spürst, etwas, das zuhört . Na los, sag’s ihnen.«
»Sei still«, schnaubte Cook.
»Cook traut sich nicht, euch zu sagen, was er denkt und was er fühlt«, erklärte Crycek, und seine plötzliche rationale Ruhe war womöglich noch schlimmer als seine vorherige Hysterie. »Denn er weiß genau wie ich, dass es da draußen ist. Es summt ... es summt wie ein Insekt. Und es könnte auch ein Insekt sein. Es ist da draußen, glaubt mir. Etwas Kaltes und Grausames – draußen im Nebel. Es belauscht uns, beobachtet uns. Es will unsere Seelen fressen, unsere Geister verschlingen ...« Er hielt einen Finger an die Lippen. »Pst. Hört genau hin! Ihr könnt es hören ... ihr könnt hören, wie es lauscht, wie es wartet, wie es an uns denkt – hier drin ...« Er massierte seine Schläfen. »Es ist hier drin, in uns allen, es frisst uns durch unsere Angst von innen auf.«
Und jetzt lauschten sie wirklich alle.
Sie horchten in den Nebel und hörten ferne Geräusche und andere, die gar nicht so fern waren. Geflüsterte Andeutungen von Bewegung. Und darunter ein tiefes, konstantes Brummen wie von einem Generator im Stand-by-Betrieb, der darauf wartete, hochgefahren zu werden.
Eine lange Zeit sagte niemand etwas.
Aber alle machten sich ihre Gedanken.
Ungute Gedanken. Vor allem, solange sie in diesem Nebel gefangen waren.
Gedanken über die Schrecken, die im Nebel lauerten, und wie unbedeutend sie schienen angesichts eines gewaltigen, kosmischen Bösen, das kam, um ihre Seelen zu fressen.
14
Es gab Gefahren im Nebel und Gefahren in den Gedanken der Männer, und manchmal war es schwer zu sagen, was schlimmer war: das, was man sehen und was einen töten konnte – oder das, was unsichtbar blieb, aber langsam den Geist, die Entschlossenheit und die Vernunft auffraß. Und dann gab es da, Cryceks Wahn zufolge, noch diese furchterregende dritte Gruppe: etwas, das man nicht nur sehen konnte, sondern das einen selbst auch sah. Und fühlte. Und für diesen Teufel spielten, wenn Crycek recht hatte, Fleisch und Blut nur eine untergeordnete Rolle. Was er wollte, waren Bewusstseine, die er mit seiner nagenden Pestilenz infizieren, und Seelen, die er roh und zitternd fressen
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