DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
Zigaretten. Für eine Dose Bier hätte er seine Seele verkauft.
Er beobachtete weiter das Meer, und da sah er ... na ja, er wusste nicht genau, was er dort sah. Da war etwas im Nebel. Nichts Riesiges oder besonders Bedrohliches diesmal, eher eine Art Schatten oder Schemen, der im Dunst umherhuschte.
Als er noch einmal hinsah, war er verschwunden. Doch er war da gewesen. Etwas war da gewesen.
Wieder eine Andeutung von Bewegung.
Er warf einen Blick zu Soltz und Cushing. Sie schliefen, genau wie Gosling. Es war Georges Wache. Und was hatte Gosling ihm gesagt? Lassen Sie die Augen hin und her wandern, George, schauen Sie nie zu lange auf eine Stelle, sonst fangen Sie an, etwas zu sehen, das gar nicht da ist. Gosling hatte es todernst gemeint, als er es sagte. Da lag nicht das geringste schalkhafte Funkeln in seinen Augen. Gosling hatte in seinem Leben schon viel Zeit auf Wache verbracht. Er kannte die seltsamen Phänomene, die man manchmal draußen wahrzunehmen glaubte.
Wieder glaubte George, dieses Huschen zu sehen, und schüttelte den Kopf. Gott, eine Zigarette täte jetzt gut. Eine Zigarette und eine heiße Tasse Kaffee. Damit bekäme er den Kopf wieder frei.
Er schloss die Augen, dann schlug er sie auf und blickte sich auf dem Floß um. Drei Männer, die im geräumigen Inneren unter dem Verdeck schlummerten, und George am Einstieg. Draußen bewegte sich der Nebel und drohte ihn zu verschlingen.
Wenn Sie mich brauchen, hatte Gosling gesagt, dann wecken Sie mich, klar?
Gosling. Der Mann behütete sie wie eine Glucke.
George wandte den Blick vom Nebel ab, wozu er sich förmlich zwingen musste, und betrachtete stattdessen das Wasser. Dampfig und ranzig, überzogen mit einer fauligen Haut, die zu gleichen Teilen aus Ablagerungen, Schleim und verwesender organischer Materie zu bestehen schien. Von Zeit zu Zeit bebte das Wasser wie Gelatine, als werde es von unterseeischen Strömungen berührt. Kleine Inseln aus Seetang und verknoteten Schlingpflanzen trieben darauf, ein Schaum aus rosafarbenen Algen.
Der Nebel selbst schien kühl und feucht zu sein, doch das Meer fühlte sich warm an. Wie ein Schlammbad, warm und sonderbar einladend.
Erneut bewegte sich etwas im Nebel.
Als George aufblickte, war es verschwunden.
Jedes Mal, wenn er die Augen abwandte, bewegte es sich. Als wollte es nicht gesehen werden, noch nicht. Als treibe es Psychospielchen mit ihm, als wollte es ihm Angst oder Unbehagen bereiten oder ihn in den Wahnsinn treiben. Wenn das der Fall war, dann verstand dieses Etwas seinen Job, denn es nagte ganz schön an Georges Nerven. Eine Gänsehaut hatte sich über seinen Unterleib ausgebreitet, und seine Hoden zogen sich zusammen, als hätten sie Angst, dass ihnen jemand etwas tat.
Wieder Bewegung.
Und wieder weg.
Wie ein Kind, dachte George, ein Kind, das im Nebel umherhuschte und Verstecken oder Fangen spielte. Es ließ ihn immer nur einen kurzen Blick erhaschen, mehr nicht. Noch nicht. Nicht, bis es bereit war, und dann wurde es erst so richtig lustig ...
George hätte gerne eine Leuchtkugel abgeschossen, um zu erkennen, was da hinter dem Nebel lauerte, immer wieder kurz zum Vorschein kam und anschließend verschwand wie ein frecher Bengel, der sich hinter einem Vorhang versteckte.
Erneut schluckte er, aber seine Kehle war wie ausgedörrt. Sie fühlte sich an wie ein Teil einer alten Maschine, rostig und festgefressen, verstopft mit Staub und Mäusekötteln.
Das Meer zitterte leicht, und die Klumpen übel riechender Algen bewegten sich, als stoße sie etwas von unten an. Ein großer dunkler Algenteppich schabte an der Seite des Floßes entlang, in einer bizarren, flüsternden Bewegung, als atme jemand.
Diesmal erwischte Georges Blick die Bewegung.
Und diesmal versuchte es nicht, sich vor ihm zu verstecken.
Was er sah, war eine Gestalt, die genau am Rand der Nebelbank stand, eingehüllt von Nebelschwaden, aber gut sichtbar. So gut, dass er erkennen konnte, dass es sich bei der Gestalt um nichts anderes als ein kleines Mädchen handelte. Bewegungslos stand es da wie eine Schaufensterpuppe oder eine Marionette, die darauf wartete, von flinken Fingern bewegt zu werden.
George blinzelte und rieb sich die Augen.
Das Mädchen stand immer noch da.
Ein kalter Schauder kroch sein Rückgrat hinauf und breitete sich über Schultern und Unterarme aus. Er sagte sich, dass es dort unmöglich ein kleines Mädchen geben konnte. Die Kleine würde doch wie ein Stein versinken, und überhaupt, was hätte sie
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