DEAD SHOT
klären. Eine bessere Gelegenheit würde sich wohl kaum ergeben. Swanson würde sich auf der Straße dem Haus nähern und genau in das Fadenkreuz laufen.
Bei jeder Entscheidung, die er nun traf, musste er Abstriche machen, da sich selbst der beste Verteidiger nicht gegen alles verteidigen konnte. Die Ausgangsposition war nicht perfekt, denn eine Öffnung von der Größe eines Mauselochs zwang den Schützen, die Mündung der Waffe dicht an ebendieses Loch zu bringen. Er konnte sich nicht tiefer in die Schatten seines Verstecks zurückziehen. Im Augenblick befand sich die Mündung von Jubas Gewehr nicht mehr als einen Fuß hinter der Öffnung.
Dennoch war es nun Swanson, der gezwungen war, sich zu zeigen. Für Juba war es ein Vorteil, dass er seinen Gegner gut kannte. Er wusste, wie ein Scharfschütze tickte, wusste, wie er sich im Kampf verhielt. Er konnte sich perfekt in Swanson hineinversetzen und gleichsam die Gedanken des Feindes lesen.
In dem dreistöckigen Haus hatte Juba alle Fenster aufgerissen und die Vorhänge vorgezogen, die jetzt im Durchzug flatterten. In den Räumen baute er mehrere falsche Verstecke aus losen Schlackensteinen, um Swanson zu verwirren. Hinter einem Holzstoß auf dem Dach hatte er ebenfalls ein täuschend echtes Versteck präpariert. An einer Seite des Hauses stand ein geschützter Pferch für Kleinvieh. All diese Verstecke würde Swanson im Auge behalten müssen, wenn er keinen Fehler riskieren wollte. Scharfschützen scannen ein Objekt immer von oben nach unten, und je höher der Verteidiger in Stellung gegangen ist, desto eher fällt das Versteck auf und erregt die Aufmerksamkeit des Gegners. Das Mauseloch aber befand sich im Untergeschoss des Hauses, unterhalb der Augenhöhe. Mit etwas Glück würde Juba das Zielfernrohr seines Gegners entdecken, wenn Swanson die potenziellen Verstecke im und auf dem Gebäude scannte, und zwar ehe Swanson ihn sah. Ein Vorsprung von vielleicht wenigen Millisekunden.
Ein zusätzlicher Vorteil war der kleine Kellerraum. Fast jedes Haus im Irak hatte eine kleine Grube, in der eine Familie Schutz suchen konnte, wenn draußen die Kugeln flogen. Unmittelbar neben diesem Keller hatte Juba Stellung bezogen. Die schachtähnliche Vertiefung unter dem Haus des Kommandanten war normalerweise durch eine Falltür zu erreichen, die von einem Teppich verdeckt war. Saß man in der Grube fest, konnte man sich durch einen schmalen Tunnel zum Nachbarhaus in einen trockengelegten Brunnenschacht retten.
Juba hatte den Teppich zur Seite gerollt und die hölzerne Luke entfernt, damit der Zugang offen blieb. Das Laptop ließ er im Rucksack und stellte ihn griffbereit in den Kellerschacht. Wieder hatte er die wichtigen Dateien auf den Memorystick geladen, den er diesmal in der Brusttasche bei sich trug.
Der Kampf würde vermutlich mit nur einem Schuss entschieden, und wer als Erster abdrückte, würde wahrscheinlich gewinnen. Aber dieser eine Schuss musste ein guter Treffer sein. Denn sonst war automatisch der andere Scharfschütze im Vorteil. Juba würde sich gedulden müssen, dann den einen Schuss abfeuern, den Rucksack packen und durch den schmalen Tunnel fliehen. Schießen und abhauen, wie es die amerikanischen Scharfschützen nannten.
Er schob eine Patrone in die Kammer des M40A1 und spähte durch das Zielfernrohr. Das Warten begann.
Fachmännisch umwickelten sie die beiden Gefangenen mit Isolierband. In einer Tasche des Kommandanten hatte Kyle eine handgezeichnete Karte der Region gefunden, die er nun auf dem Boden ausbreitete. Schnell verglichen Sybelle und er die Karte mit dem eigenen Kartenmaterial und ermittelten die Koordinaten von dem Haus, in dem Juba stecken sollte.
»Mir gefällt dieser High-Noon -Showdown nicht, dieser Mann-gegen-Mann-Scheiß«, sagte Sybelle. »Der Kerl ist einfach zu gut.«
»Hey, ich hab nie gesagt, dass ich sehen will, wer von uns schneller zieht«, entgegnete er. » Er ist es doch, der so versessen auf meinen Skalp ist und allen zeigen will, wer der beste Sniper ist. Und weil er auf diesem Egotrip ist, bleibt er hier, anstatt sich aus dem Staub zu machen.« Kyle saß auf dem Boden und hatte das M40A1 in der rechten Armbeuge. »Ich will diesen Bastard töten, egal wie.«
Sybelle strich sich eine Strähne aus der Stirn. Es war immer noch früh am Tag, doch sie schwitzte bereits. »Also kein fairer Kampf?«
»Nein. Kein Bedarf. Glaub mir, ich will ihm wirklich gern persönlich das Licht auspusten, aber wir haben da noch ’ne Menge
Weitere Kostenlose Bücher