DEAD SHOT
Steuerschwänze am Heck und die vier kleineren vorn sorgten für einen einwandfreien Sinkflug. Das integrierte lasergesteuerte System stellte sich auf den Laserstrahl ein, den Sybelle auf die Hauswand geworfen hatte. Die Bombe ging in eine Drehbewegung über, nahm Geschwindigkeit auf und raste unaufhaltsam auf das Zielobjekt zu.
Kyle erhöhte den Druck am Abzug, um im entscheidenden Augenblick keine Millisekunde zu vergeuden, sobald er sein Ziel erfasst hatte. Dann sah er plötzlich das winzige Loch unten in der Mauer des Hauses. Dort fehlte ein Stein! Da! Eine Bewegung! Die Mündung eines Gewehrs war auf ihn gerichtet!
Die Waffen feuerten fast im selben Moment, aber Kyle war noch einen Tick schneller gewesen.
Seine Kugel Kaliber 7.62 drang durch das kleine Loch und traf Juba an der linken Wange, während der Terrorist den Abzug betätigte. Kyles Geschoss zerfetzte einige Zähne im Oberkiefer, zertrümmerte den Kieferknochen und trat wieder aus.
Der Schuss, den Juba abfeuerte, wurde ganz leicht abgelenkt und drang unmittelbar über Kyles Kopf in die Mauer.
Hinter dem Mauseloch rollte Juba sich unter entsetzlichen Schmerzen auf die Seite und hatte das Gefühl, Kyle habe ihm den Kopf abgerissen. Todesschuss , durchzuckte es ihn. Instinktiv ließ er sich in die grubenartige Vertiefung fallen und versuchte, die Luke über sich zu schließen. Du musst bei Bewusstsein bleiben! Als die Luke sich schloss, presste er die Hand auf die zerfetzte Gesichtshälfte; der Schmerz riss an Jubas Körper, das Blut lief ihm durch die Finger. Dann sah er das rettende Licht am Ende des schmalen Tunnels und begann zu kriechen.
Die schwere Präzisionsbombe krachte durch das Dach und die erste Zimmerdecke, bevor der Sprengkopf in der Küche explodierte. Alles in unmittelbarer Nähe wurde in einer gigantischen Explosion pulverisiert, die Druckwelle sprengte die Außenmauern aus dem Gefüge. Deckenbalken und Zimmerwände wurden zerfetzt, und das Haus fiel in sich zusammen. Holz, Mauerwerk und jede Menge anderer Schutt türmten sich über dem Kellerloch auf, begruben es unter sich und versiegelten es gleichsam. Tief unter den ganzen Trümmern lag ein zerstörtes Laptop.
In dem engen Tunnel wurde Juba, dessen Wunde immer noch stark blutete, wie eine Puppe gegen die Wand geworfen. Die Trommelfelle platzten, und in diesem Moment glaubte Juba wirklich, dass die Druckwelle ihm den ohnehin schwer lädierten Kopf abgerissen hatte. Dreck und Staub raubten ihm die Sicht; er drohte an den Partikeln zu ersticken. Als er wieder etwas besser sehen konnte, merkte er, dass die Seitenwände des Tunnels nachgaben. Der Lichtpunkt am anderen Ende schwand.
Mit der Hand fasste er sich noch an die Brust und fühlte den Memorystick in der Hemdtasche, während die Welt um ihn herum zusammenbrach.
Etwas weiter die Straße hinunter hatte die Wucht der Explosion Kyle vom Stuhl gefegt. Doch er war sofort wieder auf den Beinen und schaute nach unten auf die Straße. Feuer wütete in dem Trümmerberg, Flammen stoben aus der Öffnung unten am Mauerwerk. Qualm und Rauch hüllten den Schutt ein. Kyle atmete erleichtert auf. Wenn er Juba nicht getötet hatte, dann mit Sicherheit die Bombe. Und wenn Juba ausgelöscht war, so war mit ihm auch die Formel begraben. Die tödliche Gefahr des Giftgases war gebannt. Hoffentlich. Kyle musste daran glauben.
Er legte sein Gewehr zur Seite, atmete nochmals tief durch und blickte wie gebannt auf den Ort der Zerstörung. »Du sollst in der Hölle schmoren, du Scheißkerl«, fluchte er.
Epilog
An Bord der Vagabond
A n diesem Nachmittag schaukelte die weiße Jacht einsam auf den Wellen des Atlantiks. Kyle lehnte an der Reling und schaute wie gebannt auf einen großen Wal, der aus den Fluten sprang und mit seinem schwarzen, massigen Körper wieder ins Meer tauchte, sodass Fontänen hoch aufspritzten. Dann war er fort, verschwand in den Tiefen des Ozeans, und das aufgewühlte Wasser passte sich wieder dem Rhythmus der wogenden See an. Ein kurzes, gewaltiges Auftauchen, gefolgt von einem perfekten Rückzug. Das ist mein Wal , dachte er und prostete dem Tier mit der Bierflasche zu. Sein vierzehntägiger Urlaub hatte soeben begonnen, und Kyle fühlte sich gut.
»Was machst du?« Delara Tabrizi gesellte sich zu ihm an die Reling. Die Brise fuhr ihr in das dunkle Haar. Inzwischen arbeitete die schöne, sprachbegabte Lehrerin aus Khorramshahr als Sekretärin für Lady Patricia Cornwell und war auf dem besten Wege, britische
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