DEAD SHOT

Einsatz kam.
    Vorsichtig spähte sie über eine Blende, die am Dach entlanglief, und hatte freien Blick auf das cremefarbene Zielobjekt. Nun hielt sie das Okular hoch und aktivierte den Laserstrahl, der von dem Haus zurückgeworfen wurde und die Daten in das elektronische Lesegerät gab. Der Laserstrahl blieb auf dem Haus. »Ziel ist erfasst«, gab sie durch, woraufhin an der Balat Air Base die Information an die Drohne in der Luft übermittelt wurde. Der Reaper reagierte und ging sofort dreitausend Meter tiefer. Von jetzt an war Sybelles Laser mit dem lasergelenkten Waffensystem des MQ-9 Reaper verbunden. Genau dort, wo der Laserstrahl ruhte, würde die Präzisionsbombe einschlagen.
    »Bestätige, dass das Ziel erfasst und die Waffe scharf ist«, hörte sie den Piloten aus Balat. »Noch drei Minuten.«
    Juba verlangsamte seine Atmung und horchte auf seinen normalen Herzschlag. Sein Puls blieb ruhig. Dies war sein Haus. Dies war seine sichere Zone. Und er war Juba! Das Schwert des Propheten. Er würde ein noch viel schärferes Schwert werden, wenn er erst einmal das furchtbare Giftgas mischte! Mit dem Zielfernrohr suchte er die Straße ab, wo die amerikanischen Soldaten und Fahrzeuge das zweite Gebäude mit den Sprengsätzen umstellten. Sie hatten es gestürmt, und nichts war geschehen. Die Falle hatte also nicht zugeschnappt. Wahrscheinlich waren jetzt sowohl der Mann mit den Handys als auch der Kommandant längst tot. Aber das sollte ihn nicht kümmern.
    Irgendwo dort inmitten der Soldaten könnte Kyle Swanson sein, und obwohl Juba mühelos ein paar Amerikaner hätte treffen können, so wollte er doch nur einen ganz bestimmten Mann im Fadenkreuz sehen: seinen alten Gegenspieler Shake. Da Swanson immer gern mitten im Geschehen war, untersuchte er vielleicht mit den anderen die Sprengsätze.
    Juba spannte den Finger am Abzug, als ein schwarz gekleideter Mann im Zielfernrohr erschien, doch es war nicht Swanson. Langsam atmete Juba aus, entspannte sich, suchte die Zielzone weiter ruhig durch das Fernrohr ab, wartete wie eine Spinne im Netz.
    Nein, Swanson war nicht dorthinten bei den anderen Soldaten. Er schlich sich heran, kam näher, in den Schatten der Häuser. Der unerwartet um die Ecke biegende Bradley und die Rauchgranate waren Beweis genug. Steckte Shake inzwischen irgendwo hinter einem der vielen Fenster? Hatte er sich längst hinter irgendeinem Haufen Müll verschanzt? In einem Hauseingang? Langsam suchte Juba die wahrscheinlichsten Gefahrenzonen mit dem Fernrohr ab.
    Zur gleichen Zeit untersuchte Swanson die unzähligen Fensteröffnungen in Jubas Haus. Der Scheißkerl kannte sich aus und konnte überall stecken, nur nicht auf dem Dach, denn dann hätte der Hubschrauber ihn längst entdeckt. Langsam scannte er die Fassade, von oben nach unten, von links nach rechts. Ohne Ziel konnte er nicht schießen, da der erste Schuss die Position verriet. Juba würde in Sekundenschnelle das Feuer erwidern.
    Erneut hörte er die Ansage über Funk. »Noch eine Minute.« Die Zeit lief ab. Er hätte die Waffe zur Seite legen können und den Rest der Bombe überlassen sollen. Aber verdammt, er hatte auch seinen Stolz. So viel hatte er in diese Jagd nach Juba investiert! Doch im selben Moment verfluchte er sich für diese lächerlichen Gedanken, diesen dämlichen Wetteifer. Wer ist der beste Scharfschütze? Völliger Schwachsinn. Wen interessierte das? Derjenige, der am Ende weggeht, ist der bessere Schütze. Lass das Zielfernrohr nicht ruhen. Nichts. Nichts.
    Plötzlich kam es Juba in den Sinn, ein Gebet zu sprechen. Nein. Konzentriere dich. Kühl ruhte der Schaft des Gewehrs an seiner Wange. Später blieb ihm noch genügend Zeit zum Beten. Wo würde ich mich verstecken, wenn ich Shake wäre? Das eine Fenster dort sah ein bisschen seltsam aus. Durch die meisten Fenster sah er klar und deutlich bis zu den im Hintergrund liegenden Wänden. Doch die Schatten in jenem Fenster wirkten unterbrochen, verstellt, anders. Als sei das ganze Mobiliar durcheinandergeraten. Ein Versteck?
    Die Stimme in Kyles Headset sagte: »Waffe frei. Waffe ausgeklinkt.« Die große GBU-12 wurde abgefeuert, und aufgrund der plötzlichen Gewichtsveränderung schnellte der Reaper hoch, ehe er den alten Kurs wieder einnahm. Es gab keinen Piloten, der müde werden konnte; und die Leute unten in der Leitstelle würden auf den Schichtwechsel warten. Die Drohne würde abgezogen und woanders eingesetzt.
    Die Präzisionsbombe war in der Luft. Die großen