DEAD SHOT
keine Wirkung mehr erzielt. Aus genau diesem Grund werden Giftgasanschläge an U-Bahnhöfen verübt, da das Gas sich dort in seiner tödlichen Wirkung voll entfalten kann. »Der Wind hat es nicht weit genug verteilt!«
Die Echse schaute sie mit einem Lächeln an, wie ein Lehrer seinen Lieblingsschüler. »Exakt.« Er klopfte auf den Fernseher. »Das sieht ganz nach einem neuen Gas aus, nach einem Stoff, der schwerer als Luft ist und bei Luftkontakt zu einer klebrigen Flüssigkeit mutiert. Die Kontaminierung der roten Zone ist auch nach dem Anschlag noch sehr hoch, und das viele Stunden nach der Explosion. Dieses Zeug behält selbst unter freiem Himmel seine tödliche Wirkung.«
»Mit anderen Worten, es bleibt an Ort und Stelle und macht das, was es machen soll.«
Middleton nickte zustimmend. »Genau. Und daher müssen wir uns Sorgen machen. Ich denke, der Anschlag war lediglich ein Feldtest. Stellen Sie sich vor, wenn große Container mit diesem Zeug mitten in einer Stadt detonieren. Die Zahl der Opfer wäre riesig.«
Sybelle ging zu einem Sideboard und schenkte sich Kaffee ein. Dann schaute sie Middleton mit leicht schräg gelegtem Kopf an. »Da arbeitet doch jeder Geheimdienst der Welt dran. Hat sich schon irgendjemand gemeldet?«
»Zu dem Anschlag hat sich bislang noch niemand bekannt. Forderungen wurden nicht gestellt. Die üblichen Verdächtigen dürften sich insgeheim freuen, aber niemand meldet sich lautstark, denn wer das tut, wird dem Erdboden gleichgemacht.« Lieutenant Commander Freedman las einige Notizen auf seinem Bildschirm. »Die Explosion kam von einem Van in der Pressezone, und die chemischen Kanister waren an einem zweiten Lieferwagen befestigt. Inzwischen hat die Polizei herausgefunden, dass beide Fahrzeuge bei einer Firma in Schottland gemietet wurden, genauer bei Edinburgh All-Media.«
Middleton verformte eine Büroklammer, und als er das gebogene Konstrukt antippte, sprang es auf. Er warf die Klammer fort. »Wieder die verdammten Medien. Diese junge Frau hält dem Feuerwehrmann das Mikro unter die Nase, als er erkennt, was wirklich vor sich geht.«
Sybelle konnte den Unmut des Generals nicht nachvollziehen. »Das war nicht ihre Schuld, Sir. Die Terroristen wollten, dass die Sache an die Öffentlichkeit kommt, und genau deshalb suchten sie sich die Presse aus, die von der Hochzeit berichtete. Das war eine Warnung direkt in die Wohnzimmer von Millionen von Zuschauern. Die arme Kimberly Drake wird auf ewig das Gesicht dieser Katastrophe sein.« Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie sich des schrecklichen Todes der Reporterin vor laufender Kamera entsann.
Der General stand auf und schaute aus dem Fenster. »Okay. Sie haben recht. Ich versuche ja bloß, alles in meinem Kopf zu ordnen. Suchen Sie Ihre Unterlagen zusammen, da wir in gut einer halben Stunde zu einem Briefing der nationalen Sicherheit im Weißen Haus sein müssen. Außerdem muss geklärt werden, ob der Vorfall einen Zusammenhang hat mit unserem Vorgehen im Iran.«
»Und was genau machen wir im Iran, Sir?«, fragte Sybelle.
»Das erfahren Sie noch früh genug. Swanson wird ein anderes Team dorthinführen, und er möchte, dass Sie hinfliegen und die Operation von Camp Baharia aus leiten. Die Echse organisiert einen Flug für Sie. In ein paar Stunden können Sie starten.«
»Aye, aye, Sir«, erwiderte sie und dachte: Heute Morgen wache ich in meinem Apartment in Maryland auf, fahre zum Pentagon in Virginia zur Arbeit, besuche das Weiße Haus für eine Konferenz, schaue kurz bei der CIA in Langley vorbei, um einen letzten Lagebericht zu erhalten, lasse mich dann zur Andrews Air Force Base fahren und setze mich für ein paar Stunden in ein Überschallflugzeug der Air Force, um abends im Irak einzuschlafen. Da muss man seinen Job wirklich lieben.
Königreich von Brunei, Darussalam
Der Botschafter Richard Taffe galt als professioneller Diplomat und war von den Vereinigten Staaten mit der Aufgabe betraut worden, in einem der kleinsten und reichsten Länder mit strategischer Lage die wichtige Position des Botschafters zu übernehmen. Dies war kein begehrter Posten, den man einem Parteifreund oder einem Freund eines Freundes des Präsidenten zuschanzte. Wer auch immer diesen Posten erhielt, hatte sich über Jahre hinweg in der diplomatischen Welt einen Namen gemacht. Taffe schälte sich nach einer morgendlichen Golfrunde im Royal Brunei Golf and Country Club in Jerudong Park aus seinem orangefarbenen T-Shirt und kam erneut
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