DEAD SHOT
999 eingeführt und sich selbst eine andere Identität ausgesucht: den Namen des berühmten Kriegers und Führers aus vergangener Zeit – Saladin.
Kapitel zehn
Camp Doha, Kuwait
N ach der Einsatzbesprechung begab Kyle Swanson sich zum Krankenhaus, um nach Dawkins zu schauen, der aber noch im OP lag. Daher ging er zu den Unterkünften, die den Männern der Special Operations vorbehalten waren, trug sich für ein Zimmer ein und duschte. Im Fernseher des kleinen Raums lief der Bericht über den Anschlag in London. Kyle legte sich das Kissen zurecht, streckte sich lang auf der Pritsche aus und verfolgte das Programm eine Weile, ehe er einschlief. Ein hämmerndes Klopfen an der Tür unterbrach die kurze Phase der Entspannung.
Captain Rick Newman und Sergeant Travis Hughes standen vor seiner Tür, immer noch in Tarnanzügen und verdreckt vom letzten Einsatz. Während sie von dem seltsamen Verhör von Delara Tabrizi erzählten, wurde Kyle bewusst, dass die junge Frau unabsichtlich den ersten Dominostein in einer langen Reihe angetippt hatte, als sie vor den Leuten vom Nachrichtendienst einen weiteren Einsatz im Iran vorschlug.
Die Jungs vom Geheimdienst würden das Ganze an ihre Vorgesetzten weiterleiten. Dort würde man überlegen, welche Schritte möglich wären, und sich in der Debatte dann an Washington wenden, um Zustimmung zu erhalten. Jemand ganz oben müsste schließlich die Entscheidung treffen, eine zweite Einheit der US Marines tief in das Landesinnere des Iran zu entsenden, weil eine Frau dort nach ihrem Bruder suchte. Aber da in der iranischen Anlage schon beim ersten Einsatz keine handfesten Beweise für Chemiewaffen gefunden worden waren, würde man in der Chefetage zögern, einer neuen riskanten Mission grünes Licht zu geben. Zumal man sich nur auf das Wort einer Fremden verließ. Wenn im Verlauf der Mission Amerikaner in die Hände des Feindes gerieten, wären die Folgen auf internationaler Ebene gewaltig. Mit jeder Stunde, die verstrich, betrachtete man den Anschlag in England eher als Aufgabe der Polizei. Das Militär spielte nur eine untergeordnete Rolle. Vielleicht könnte ein Satellit Aufnahmen von dem verdächtigen Areal machen, oder eine unbemannte Drohne erkundete das Terrain, ohne dass Soldaten einen Fuß auf feindliches Territorium setzten. War es das Risiko wert?
»Was hältst du von der ganzen Sache, Trav?«, fragte Kyle.
»Sie sagt die Wahrheit«, antwortete er. »Je länger sie verhört wurde, desto selbstbewusster trat sie auf. Rawls ist noch bei ihr in der Kantine. Die Frau ist sehr gefasst und bei der Sache.«
Swanson sah Rick Newman an. »Ich glaube nicht, dass man eine zweite Mission bewilligen wird«, meinte der junge Captain. »Zu viel kann schiefgehen.«
Während die Männer die jüngsten Berichte des schrecklichen Attentats in London im Fernsehen verfolgten, zog Kyle sich seine Uniform an und ging in Gedanken die Möglichkeiten durch, die seiner Einheit blieben. »Wir müssen das durchziehen«, sagte er, »auch wenn wir bloß eine minimale Chance haben, dieser Sache auf den Grund zu gehen. An meiner ursprünglichen Autorisierung für die Mission im Iran hat sich nichts geändert. Deshalb sind wir nur kurz nach Doha zurückgekehrt, um unseren verwundeten Kameraden abzuliefern. Wir müssen das Camp verlassen, da wir es hier mit zu vielen verschiedenen Interessenslagen zu tun haben.«
Travis Hughes kaute an seinem Fingernagel. »Das Dorf, das die Frau erwähnt hat, liegt im Nordwesten des Iran, auf halbem Weg zur irakischen Grenze. In einem Gebiet, in dem die Landwirtschaft allmählich den Bergen weicht. Wir könnten vom Camp Baharia aus starten. Das wäre etwa die gleiche Höhe im Irak.«
»Gut«, sagte Swanson. »Sobald wir nur unter Marines sind, wird die Sache leichter für uns. Rick, Sie besorgen uns einen Flieger, der die Jungs nach Fallujah bringt, und kümmern sich um die Ausrüstung vor Ort in Baharia. Ich hole Captain Summers hierher. Dann lösen wir die Mission ganz aus der militärischen Befehlskette und stellen sie unter das Kommando von Trident und General Middleton. Wenn Sybelle Summers landet, soll die Aktion bereits laufen. Und wenn wir das Tempo beibehalten, kommen uns auch keine Bürokraten in die Quere.«
Washington, D.C.
Sybelle Summers erschien morgens früh um sechs zur Arbeit. Wie Tausende andere Pendler fuhr sie mit der Washingtoner Metro zur Station am Pentagon, nahm geduldig die lange Fahrstuhlfahrt zum Haupteingang in Kauf und meldete sich an.
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