Dead Souls: Horror (German Edition)
dich vor mich und nimm meine Hände!« Henry streckte die Hände aus, Handflächen nach oben, wie ein Kadaver an einem Ast baumelte der Beutel mit den Nägeln herunter. In dem trüben Licht konnte Johnny eine Reihe dicker blutiger Schwielen direkt unterhalb seiner gebeugten Finger erkennen. Johnny schüttelte den Kopf und wich zurück, er hatte Angst näher zu kommen. Tränen flossen aus seinen Augen und schnitten durch eine dünne Staubschicht, die sich auf seinen Wangen niedergelassen hatten.
Aus der Küche ertönte ein Klappern an der Hintertür.
Henry warf Johnny einen ernsten Blick zu, vor Sorge und Angst riss er Mund und Augen auf. »Jetzt, Johnny! Komm jetzt her!«
Draußen kam eine Brise auf und rüttelte an den dreckigen Glasscheiben des einzigen Fensters im Zimmer. Johnny schaute blitzschnell zum Fenster hinüber und entdeckte einen blassen Schatten, der sich direkt hinter der schmutzigen Oberfläche bewegte. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare, ihm war plötzlich todschlecht. Er versuchte wegzulaufen, doch seine Beine und Füße waren vor Angst gelähmt.
Ohne Vorankündigung sprang Henry auf und packte Johnny an den Handgelenken. Der heftige, plötzliche Griff des Mannes erschreckte Johnny. Sie starrten sich kurz gegenseitig an, und dann brach Henry zusammen, dessen Gesicht angespannt und blass war, und riss Johnny mit sich hinunter … direkt auf die Holzbretter der Kruzifixe.
Bryan Conroy, rette unsere sterbenden Seelen …
Johnny wimmerte vor Schmerzen, vor Schock. Er unternahm einen schwachen Versuch, sich loszureißen, aber Henry hielt ihn fest. Das unangenehme Gefühl in Johnnys Magen entwickelte sich zu einem Brechreiz, und Johnny schwirrte der Gedanke im Kopf herum, dass er sich direkt in Henrys Schoß übergeben könnte.
Die Tür in der Küche klapperte lauter. Der sich bewegende Schatten am Fenster begann, an die Scheibe zu kratzen. Irgendwo da draußen hörte Johnny ein dumpfes Knallen, wie ein unablässiges Pochen gegen eine versperrte Tür.
Bumm … bumm … bumm …
Henry schloss die Augen und fing fast lautlos zu beten an. Er hielt Johnnys Gelenke immer noch mit beiden Händen fest und zog sie jetzt an seine Brust. Alle Geräusche außerhalb der Hausmauern wurden jetzt lauter, kamen näher und versetzten Johnny in eine gewaltige Angst, die stärker war, als er es bei der Begegnung mit den von den Toten auferstandenen Männern erlebt hatte. Die von den Toten auferstandenen Männer , dachte Johnny verrückt. Sie sind wieder hinter mir her! Und plötzlich wurde ihm bewusst, dass es jetzt vier von ihnen gab, und dass alle vier Conroy-Seelen schließlich kürzlich verstorbene Körper zum Bewohnen aufgespürt hatten, dann waren zwei weitere Leute, die er kannte – die mit ihm in irgendeiner Verbindung gestanden hatten – umgebracht worden.
Johnny unternahm einen weiteren Versuch, sich von Henry loszureißen, aber der Mann hielt ihn in einem unerbittlichen Griff gefangen. In diesem Moment fing Henry zu keuchen an – dabei sprach er in irgendeiner seltsamen fremden Sprache, eine, die Johnny überhaupt nicht erkannte. Henrys Augenlider klappten blitzschnell auf, ein feuchtes, blutunterlaufenes Weiß enthüllend. Sein Kiefer klappte nach unten, und eine weiß belegte Zunge ragte heraus. Urin machte sich in einem unerwarteten, dunklen Fleck vorn auf seiner Hose breit. Sein Griff zog sich schmerzvoll um Johnnys Handgelenke zusammen.
Irgendwo im Haus zerbrach Glas.
Johnny erschrak. Panisch flüsterte er: »Henry! Sie sind hier!«
Aber Henry hörte ihn nicht – der Mann war in irgendeiner tiefen Trance vergraben. Sein Gesicht war aschgrau, die Lippen zitterten, die Augen in ihren Höhlen verdreht. Riesige Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Im Zimmer polterte es, und Johnny drehte den Kopf zum Fenster, wo der sich abzeichnende Schatten gegen die schmutzigen Scheiben schlug. Eine der Scheiben zerbrach, und eine blutige, abgemagerte Hand griff hindurch, die Finger aufgedunsen und knackend, blind in die Luft greifend.
Jetzt noch panischer bemühte sich Johnny, sich aus Henrys starkem Griff zu befreien. Henry, der daraufhin so fest zupackte, dass die Nägel in dem Beutel klapperten, murmelte weiterhin zusammenhanglos vor sich hin.
Bis er plötzlich ein verständliches Wort unter dem Gemurmel flüsterte:
»Eddie …«
Irgendwo im Haus zerbrach ein weiteres Fenster. Die krallende Hand am Esszimmerfenster riss den verrotteten Rahmen weg,
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