Deadline 24
Mariposa. »Lügengeschichten erfinden, naive Seemänner an der Nase herumführen, den Helikopter klauen, einem Bauernburschen den Kopf verdrehen, zulassen, dass der arme Junge sich an einen Herzfresser ausliefert, und es mir überlassen, das alles wieder in Ordnung zu bringen.«
»Wen meint sie mit naive Seemänner?«, fragte Sausalito.
»Euch!« Josie holte tief Luft. »Weil ich euch angeschwindelt habe und ihr mir geglaubt habt. Aber ihr seid nicht naiv, ihr seid die besten Freunde, die ich je hatte, und sie macht mir mal wieder alles kaputt!«
»Von wegen! Ich versuche zu retten, was zu retten ist. Könnt ihr ihn noch rufen? – Himmel noch mal!«, rief sie, als nicht sofort eine Antwort kam. »Ihr müsst den Helikopter herbeirufen können, schließlich wart ihr heute Morgen mit ihm unterwegs.«
»Josie kann es«, antwortete Caleb mit rauer Stimme.
»Dringt sie auch sonst noch zu ihm durch? Kann sie ihn beruhigen?«
»Ja.«
»Gut. Dann sage ich euch, wie wir es machen. Es muss schnell gehen, sehr schnell. Der Herzfresser darf keinen Verdacht schöpfen. Wie ich sehe, tragt ihr alle eure Schiffermesser.« Ihr Blick streifte die Waffen der jungen Männer. »Josslyn ruft ihn, beruhigt ihn, lenkt ihn mit zärtlichem Getue ab. Das wird gelingen, denn dieser Junge ist verrückt nach ihr, so viel habe ich schon mitgekriegt. Der Geschickteste von euch steigt ein, und im selben Moment, innerhalb einer Sekunde, schneidet er den Jungen ab. Blitzschnell muss es geschehen, mit einem einzigen Hieb. Der Organismus wird dann geschockt sein und nicht sofort reagieren können. Wir haben das schon exerziert. Unmittelbar nach dem Abschneiden müsst ihr den Helikopter übernehmen, Org wird euch akzeptieren, und ihr seid erfahren genug, um euch nicht fressen zu lassen. Danach fliegen wir heim. Mit ein bisschen Glück können wir schon in ein paar Stunden wieder in unseren eigenen Betten liegen. Alles klar so weit?«
»Nein!«, rief Sally entsetzt. »Wenn wir Paul abschneiden, wird er sterben!«
»Ach, Kind«, sagte Mariposa. »Das wird er sowieso. Er ist schon so gut wie tot.«
»Ist er nicht! Es geht ihm noch gut!«
»Noch!«, erwiderte Mariposa. »Das genau ist der Punkt. Noch geht es ihm gut. Was aber wird geschehen, wenn der Herzfresser sein Werk beendet hat? Wir wissen alle, wie mächtig dieser Organismus ist.«
»Nein!« Flehend sahen Sally und Monnia zu den Crew-Mitgliedern.
»Keine Sorge!«, gab Caleb zurück. »Vielleicht müssen wir ihn abschneiden, vielleicht führt kein Weg daran vorbei. Aber erst, wenn wir uns alle dazu entschlossen haben, keinesfalls auf Befehl von Mariposa. Du hast uns nichts mehr zu befehlen, Mylady!«
»Das habe ich wohl!«, rief sie zornig. »Ich bin die Herrin des Hafens von Esperanza. Ihr seid Seemänner, ihr untersteht meiner Gewalt, ihr gehört mir!«
»Träum weiter!«, höhnte Sausalito.
»Na schön, ganz wie ihr wollt!« Sie wandte sich an Josie. »Wir brauchen diese Crew nicht, wir haben unsere eigenen Piloten im Gefolge. Du, Josslyn, wirst dich darauf besinnen, wer du bist. Du kommst mit mir!«
»He, Josie, von was redet sie?«, fragte Sausalito.
»Tu ich nicht!«, gab Josie trotzig ihrer Mutter zurück, ohne auf Sausalito zu achten.
»Was bildest du dir ein?« Mariposas Gesicht verdunkelte sich vor Zorn. »Du bist eine Lady! Wir sind nicht wie diese gewöhnlichen Leute, wir können nicht mit ihnen leben!«
»Vielleicht kannst du es nicht, ich kann es wohl!«
»He, Josie!«, schrie Sausalito. »Wer bist du?«
»Sie ist Mariposas Tochter«, sagte Caleb.
Einen Moment lang herrschte ungläubige Stille. Jarvis und Jessup verließen ihren Posten neben der Barrikade, zu dritt umstellten sie Josie, die mit niedergeschlagenen Augen nickte. Dann ging das Gebrüll los. Sie schrien Josie an, schimpften sie eine Verräterin, zogen über Caleb her, weil er nicht eher mit der Sprache herausgerückt war, fuchtelten mit ihren Messern drohend in die Richtung von Mariposas Gesicht.
Die zog eine spöttische Grimasse. »Männer!«, murmelte sie und blinzelte Sally zu, die immer noch abseits der anderen bei der Barrikade stand, tat einen ungeschickten Schritt, stolperte und knickte mit einem schmerzlichen Aufschrei um. Niemand beachtete sie, außer Sally. Carlita war nirgends zu sehen und Monnia starrte mit weit aufgerissenen Augen unglücklich auf die fluchenden, streitenden Männer.
»Hilf mir!«, bat Mariposa.
Sally zögerte.
»So hilf mir doch auf! Ich habe mir den Fuß
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