Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
bedeutet?«, wollte Cissy gereizt wissen. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Und, Moment mal.« Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, legte sie eine Pause ein. Beejay zappelte in ihren Armen. »Hast du nicht gesagt, du hättest heute die Scheidungsunterlagen bekommen?«
»Fang bitte keinen Streit mit mir an«, sagte Jack gefährlich sanft. »Ich hätte einfach ein besseres Gefühl«, fügte er hinzu und kam ihr so nahe, dass sie den frischen Duft seines Aftershaves roch und die dunkelblauen Streifen in seiner Iris sah. Der verräterische Sohn in ihren Armen besaß die Unverschämtheit, ihnen beiden sein unglaubliches Babylächeln zu schenken. Als stünde in der Welt alles zum Besten, als lebte seine liebe Urgroßmutter noch, als führten seine Eltern ein Leben wie im Märchen.
»Nein«, flüsterte sie, obwohl es ihr das Herz zerriss.
Jack neigte sich noch näher zu ihr hin, sein warmer Atem streifte ihr Ohr. »Deine psychopathische Mutter ist auf freiem Fuß, Ciss. Weißt du noch, wie erbarmungslos und grausam sie sein kann? Gott weiß, wo sie plötzlich auftaucht, was sie vorhat. Und heute Abend ist deine Großmutter gestorben, womöglich, weil jemand sie auf den Weg ins Jenseits befördert hat.«
»Das weißt du nicht.«
»Aber ich weiß, dass alles immer merkwürdiger wird, und das gefällt mir nicht. Ich bleibe.« Wie zum Beweis ging er ins Wohnzimmer, wich Beejays verstreuten Spielsachen aus und ließ sich auf das Ledersofa fallen, das sie vor knapp zwei Jahren zusammen ausgesucht hatten.
Ihr dummes Herz zog sich zusammen, doch sie achtete nicht darauf, drückte nur ihren kleinen Sohn etwas fester an sich. »Jack, du kannst hier nicht bleiben.«
»Was willst du dagegen unternehmen? Die Polizei rufen?«
»Die steht vermutlich längst wieder draußen und wartet auf Marla.« Herrgott, er war so stur. »Ich will dich hier nicht haben.«
»Es ist ja nur für eine Nacht.«
»Nein, Jack. Nicht für eine Nacht, nicht mal für eine Stunde.« Sie verlagerte Beejay auf die andere Hüfte.
»Cissy, verdammt noch mal.«
»Ich weiß. Ich bin ein Sturkopf. Du aber auch. Eigentlich müssten wir perfekt zusammenpassen.« Mittlerweile kochte sie vor Wut, die sich immer weiter aufgestaut hatte, seit sie Jack aus Larissas Wohnung kommen sah.
Sie erinnerte sich überdeutlich an die Szene. Jack schob noch sein Hemd in den Hosenbund, seine Krawatte fehlte, sein Haar war nass und wirr, als hätte er es nach dem Duschen nur flüchtig frottiert. Larissa stand im Bademantel an der Tür, wie es aussah, ohne etwas darunter. Cissys Herz drohte stehenzubleiben, als sie es von ihrem Wagen aus beobachtete, einen Häuserblock entfernt, die Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen.
Zwar hatten sie sich nicht geküsst, doch Jack lächelte Larissa an und winkte ihr zu, bevor er die Stufen hinunter zu seinem Jeep hüpfte, der auf dem Parkplatz des Apartmenthauses abgestellt war. Larissa blickte ihm nach, trat barfuß hinaus auf den Balkon, beugte sich übers Geländer und warf ihm eine Kusshand zu, als er den Motor anließ. Ihr frisch gewaschenes Haar fing das Sonnenlicht ein, der Ausschnitt ihres Bademantels gewährte tiefe Einblicke und legte eine Brust frei, bis sie lachend die Aufschläge wieder zurechtrückte.
Alles für Jack.
Wenn sie daran dachte, fühlte sich Cissy noch immer verletzt und wütend. Sie biss die Zähne zusammen.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, unterließ Jack weitere Einwände. Mit einer Hand fuhr er durch Beejays blonde Locken. Müde fragte er: »Willst du es wirklich so und nicht anders?«
Sie hob das Kinn ein wenig. »Unbedingt.«
»Ja, dann … Wenn du wirklich meinst, du und Beejay, ihr kommt hier allein zurecht …«
»Wir kommen zurecht«, versicherte sie, als wäre es ihr Ernst, als schmerzte es sie nicht, ihn zu sehen, als trauerte sie nicht um ihre Großmutter, als machte sie sich keinerlei Gedanken über ihre aus dem Gefängnis entflohene Mutter. »Wenn ich Glück habe, bekomme ich vielleicht sogar noch Gesellschaft von zwei Detectives, die da draußen Wache schieben.«
Er furchte die Stirn und schien Einwände erheben zu wollen, überlegte es sich jedoch anders. »Okay, dann gehe ich jetzt.« Er nahm seinen Sohn noch einmal fest in die Arme und ließ ihn dann zu Boden. »Auf Wiedersehen, Großer«, sagte er zu Beejay, und der zärtliche Tonfall drückte Cissy das Herz ab.
Sie gab sich innerlich einen Ruck, ging zur Haustür und hielt sie offen. Jacks Lippen zuckten. Er sah
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