Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
Alter nicht gebessert. Erstaunlich war, dass das angriffslustige Tier noch lebte.
Oder noch gelebt hatte.
Jefferson stieg die Treppe zum Flur hinauf. »Kein Hund, auch kein weißer, weit und breit.«
»Lassen Sie’s mich wissen, wenn er Ihnen über den Weg läuft.«
Jefferson lächelte; ihre leicht spatelförmigen Zähne blitzten hell in starkem Kontrast zu ihrem mokkafarbenen Teint. »Beißt er?«
»Vermutlich«, antwortete Paterno. »Schließlich ist er ein Cahill.«
Sie schnaubte, stand bereits wieder oben am Geländer und untersuchte die Säulen direkt oberhalb der Leiche. Inzwischen hatten sich die Forensiker an die Arbeit gemacht, nahmen auf ihrer gründlichen Suche nach Beweismaterial Fingerabdrücke, sammelten alles Umherliegende auf und schossen unentwegt Fotos.
Janet trat zu Paterno. »Ich fange mit dem Telefonregister, dem Computer und ihrem Terminkalender an. Alles befindet sich oben in der Bibliothek.«
»Sie besitzt einen Computer?«, fragte Paterno.
Janet nickte.
»Die Enkelin sagte mir, sie hielt nichts von Computern.«
»Ich sehe ihn mir trotzdem an.«
»Sieh nach, ob du irgendwelche juristischen Unterlagen findest«, wies er sie an. »Versicherungspolicen und ein Testament.« Stirnrunzelnd betrachtete er die Einrichtung des riesigen Hauses mit seinen Originalkunstwerken und den kostbaren, wenn auch abgenutzten Möbeln. »Ein Haus wie dieses könnte einen Wandsafe haben.«
»Schon unterwegs«, versicherte Quinn und stieg die Treppe zur Bibliothek hinauf.
Paterno blickte noch einmal auf das Opfer herab, ein letztes Mal, bevor sie in den Leichensack gehüllt und auf die Bahre gelegt wurde. Sein Magen krampfte sich zusammen beim Anblick der zierlichen Gestalt der Toten in teurer Hose, Jackett, Bluse und Halstuch. Als wäre sie mit ihren Freundinnen zum Bridge oder Tee verabredet gewesen. Ihr Haar war jetzt wirr und blutverklebt, doch er vermutete, dass sie erst kürzlich beim Friseur gewesen war – auch jetzt noch lagen einzelne apricotfarbene Löckchen in Form, sorgfältig mit Spray fixiert.
Zum Teufel.
Er hatte ein ungutes Gefühl bei dieser Sache.
Ein sehr ungutes.
Das Bier ist immerhin kalt, dachte Cissy, wenngleich sie und Jack angesichts der Außentemperatur heiße Schokolade mit Whiskey oder Baileys hätten schlürfen sollen, die Sorte Drink, die sie auf ihren gelegentlichen Skiausflügen zum Lake Tahoe und ins Heavenly Valley bevorzugt hatten. Damals, als ihr Leben noch wie verzaubert gewesen war. Sie erinnerte sich daran, wie sie nach den Abfahrten in Hochstimmung zurück in die Hütte gekommen waren. Schnee schmolz in Jacks Haar, sein Gesicht war rot vor Kälte. In klobigen Skistiefeln stapften sie zur Bar und bestellten Drinks, setzten sich dann nach draußen und blickten auf das klare, unglaublich blaue Wasser des Sees, und später, nach einem Bad im heißen Auenpool, liebten sie sich stundenlang in ihrem Zimmer.
Doch das war in einem anderen Leben gewesen.
Cissy nahm einen Schluck aus ihrer Bierflasche und drängte diese Gedanken zurück in den verborgenen Winkel ihres Bewusstseins, wo sie sie unter Verschluss hielt. Es war Unsinn, jetzt rührselig und sentimental zu werden. Gut, sie hatte Jack aus tiefstem Herzen geliebt, und es hatte nicht geklappt. Was soll’s? So etwas geschah doch ständig.
Aber du hast nie gedacht, dass es dir passieren würde, oder?
Cissy hatte geglaubt, wenn sie heiratete, wäre es fürs ganze Leben, mit einem Mann, der sie bedingungslos liebte. Sie verlangte nach Liebe wie eine Süchtige – es war eine emotionelle Bedürftigkeit, die jeder billige Seelenklempner auf die Trümmer ihrer verpfuschten Kindheit zurückgeführt hätte. Und damit hätte er recht gehabt. Diese Art von Liebe hatte Cissy nie erfahren, nicht von ihrer Großmutter und ganz sicher nicht von ihrer egozentrischen Mutter oder von ihrem narzisstischen Vater. Sie hatte geglaubt, mit Jack und Beejay – ihrer eigenen kleinen Kernfamilie – würde das Leben anders werden.
Oh, wie hatte sie sich da getäuscht.
Als sie jetzt an dem Tisch saßen, den sie in einem Secondhandladen gekauft und gemeinsam aufgearbeitet hatten, das erste ihrer zahllosen »Projekte«, teilten sie und Jack sich, was von der Pizza noch zu genießen war, und gaben sich Mühe, das Schweigen nicht allzu unbehaglich werden zu lassen.
Sie lehnte sich auf »ihrem« Stuhl zurück – dem Stuhl bei den Fenstertüren, die in den Garten führten. Cissy gestattete es sich nicht, an die Suche nach diesem Haus
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