Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
sie und Jack sich nicht verstanden.
Er hatte sich seinen Vater nicht ausgesucht.
Das hatte sie getan.
»Sehen Sie mal, was ich gefunden habe.« Janet Quinn, die die Bibliothek im ersten Stock durchsucht hatte, kam mit einem zitternden kleinen weißen Hund im Arm die Treppe herunter. Paterno hob den Blick vom Boden, wo er die Fliesen am Ort des Aufpralls in Augenschein genommen hatte. Immer noch war alles voller Blut, doch Eugenia Cahills sterbliche Überreste waren inzwischen fortgeschafft worden.
»Wo ist er gewesen?«
»Er hockte in einem Schrank unter einem Regal mit der Erstausgabe von Sherlock Holmes.«
»Also in guter Gesellschaft«, bemerkte Paterno.
»Und zu Tode verängstigt. Er zittert buchstäblich. Möchte wissen, wer ihn dort hineingesteckt hat. Eugenia? Der Mörder? Wir gehen doch von Mord aus, oder?«
»Sieht ganz so aus. Jefferson ist sich ziemlich sicher.«
»Wer hat ein Interesse daran, so eine kleine alte Dame umzubringen?«
Paterno dachte unverzüglich an Marla Cahill. »Vielleicht ihre Schwiegertochter?«
»Ganz schön dreist, gleich nach ihrem Ausbruch hierherzukommen.«
»Haben Sie vergessen, wie Marla Cahill ist? Dreist ist noch geschmeichelt.« Ihm waren schon viele gerissene, kaltherzige Menschen im Leben begegnet, doch Eugenias Schwiegertochter gebührte zumindest in der Riege der Frauen Platz eins.
»Sie ist nicht dumm.«
»Absolut nicht.«
»Und sie wird gewusst haben, dass wir das Haus beschatten.«
»Tja, irgendwer hat die Notrufzentrale alarmiert, noch bevor die Enkelin hier auftauchte. Ich möchte wetten, dass der unbekannte Anrufer, der dafür gesorgt hat, dass unsere Jungs abgezogen sind, in der Sache mit drinsteckt. Wenn wir herausfinden, wer er ist, kommen wir vielleicht ein bisschen weiter.«
Janet nickte. »Der Anrufer war ein Mann. Das habe ich schon geprüft.«
»Er hat von einem Münzfernsprecher aus angerufen.« So viel hatte Paterno seinem Gespräch mit der Notrufzentrale bereits entnehmen können. Er hockte vor den Blutflecken, legte den Kopf in den Nacken, blickte hinauf zum Flur, wie er es schon ein Dutzend Mal getan hatte, und stellte sich bildlich vor, was geschehen sein mochte. Man musste nicht über Atlaskräfte verfügen, um die zierliche Frau übers Geländer stoßen zu können, andererseits aber würde Eugenia sich doch gewehrt haben. Es sei denn, man hatte sie betäubt, oder sie hatte einen Schlaganfall oder eine Herzattacke erlitten. Er würde mehr wissen, sobald die toxikologischen Befunde und die Blutuntersuchungen aus dem Labor zurück und die Autopsie abgeschlossen waren. »Ich fange jetzt an, das Personal zu vernehmen«, sagte er zu Quinn. »Sie fordern das Telefonregister an.«
»Genau das hatte ich vor«, antwortete Janet. Sie streichelte den Kopf des Hundes, und er winselte. »Wissen Sie, wie er heißt? Der Hund, meine ich.«
»Coco, hat die Enkelin gesagt.« Doch er kannte den verdammten Hund ja selbst von seinem letzten Besuch vor Jahren. Er war damals allerdings jünger und nicht traumatisiert gewesen und hatte sich vielmehr angriffslustig und bissig aufgeführt, eine echte Nervensäge. Jetzt tat ihm der weiße Köter beinahe leid. »Ich bringe ihn zu ihr. Sie hat nach ihm gefragt.«
»Sie«, sagte Janet. »Coco ist ein Weibchen.«
»Was meinen Sie, warum war der Hund eingesperrt? Ob er im Weg war?«
»Vielleicht wurde sie versehentlich eingesperrt. Manchmal macht meine Katze es sich in einem Schrank oder in einem Zimmer gemütlich, und wenn ich dann die Tür schließe, kann ich sie stundenlang nicht finden.«
»Aber hier geht’s um einen Hund. Und ich kenne ihn … sie. Sie war durchaus nie schüchtern oder ruhig.« Er sah in die kleinen schwarzen Knopfaugen.
»Ich bringe sie in Ihren Wagen, dann können Sie sie zu Cissy Holt bringen. Im Schlafzimmer habe ich einen Tragekorb gesehen.«
»Wir sind hier noch nicht fertig mit unserer Arbeit«, sagte Jefferson und maß ein gesprungenes blutiges Fliesenstück direkt unter dem Treppenflur aus. »Lassen Sie uns noch eine Minute Zeit, bevor Sie hier Sachen rausschleppen.«
»Ich bin der Meinung, ich sollte bleiben«, sagte Jack, während Cissy im gleichen Moment dachte, er sollte nun endlich gehen.
Verdammt, Jack konnte so hartnäckig sein. Trotzdem glaubte sie, nicht richtig gehört zu haben. »Benutze diese Situation jetzt bitte nicht als Vorwand.«
Er reichte ihr Beejay »Wenn du willst, kann ich auf dem Sofa schlafen.«
»Begreifst du nicht, was das Wort ›Trennung‹
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